Knapp ein Jahr ist es jetzt her, dass der neue Flughafen BER eröffnet wurde. Im Sommer gab es ein paar Wochen, in denen es fast aussah, als ginge es aufwärts: Zeitweise konnten 50.000 Fluggäste am Tag abgefertigt werden. Jetzt im Herbst ist aber wieder viel Platz in den Terminals.
Mit neun Jahren Verzögerung fiel der Eröffnungstermin am 31. Oktober 2020 unglücklicherweise ausgerechnet in die Hochzeit der Corona-Pandemie. Sie hatte den Flugverkehr nahezu zum Erliegen gebracht. In diesem Jahr sieht es schon besser aus: Die Corona-Zahlen sinken, Reisen ist wieder möglich, die Zahl der Geimpften steigt und die Warnungen vor Ansteckungsrisiken im Ausland gehen zurück. Beim BER ist man verhalten optimistisch und hofft auf einen Hauch von Normalbetrieb.
Dafür spricht, dass der Sommerreiseverkehr erneut zugenommen hat. Insgesamt starteten und landeten in diesem August 1,43 Millionen Passagiere am BER, rund 180.000 mehr als im Ferienmonat Juli 2021. Zum Vergleich: Im August 2019 waren es in Tegel und Schönefeld zusammen fast 3,2 Millionen Fluggäste. Für das gesamte Jahr 2021 peilen die Verantwortlichen als Fernziel zehn Millionen Passagiere an, 2022 hofft man auf die Hälfte der Vorkrisenzahl. Damals flogen an den alten Berliner Flughäfen 36 Millionen Fluggästen ab oder kamen an. Erst 2025 – so Aufsichtsratschef Engelbert Lütke Daldrup – könnte dieses Niveau wieder erreicht werden.
Planungen von 2006 waren auf dem Stand von vorgestern
Der BER selbst verfügt über drei Terminals an zwei Standorten und ist für eine Kapazität von 27 Millionen Passagieren pro Jahr ausgelegt. Die Terminals T1 und T2 liegen zentral zwischen den beiden Start- und Landebahnen, das Terminal T5 (ehemals: Schönefeld) befindet sich im nördlichen Flughafenbereich und ist über Bustransfer oder öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen. Ein drittes Terminal, das bis Ende der 2020er-Jahre fertig gestellt sein soll, ist in Planung. Ob es angesichts der insgesamt rückläufigen Zahlen im Luftverkehr noch gebraucht wird, ist offen. Denn nicht nur die Corona-Krise hat den gesamten Flugmarkt umgekrempelt, auch die verstärkten Anstrengungen, der Klimakatastrophe zu entgehen, haben dazu beigetragen. So ist nicht ausgeschlossen, dass der Kurzstreckenflugverkehr in Zukunft nicht mehr attraktiv genug ist und eingestellt wird.
Dass die Betreiber 2006 beim ersten Spatenstich von nur 27 Millionen Passagieren als Spitze ausgingen, zeigt, wie vorgestrig die Planungen waren. 2006 war die Digitalisierung erst am Anfang, und die Niedrigpreis-Fluggesellschaften wie Ryanair oder easyjet waren noch nicht so massiv auf dem europäischen Markt präsent. Tegel, der heute geschlossene, damals beliebte Flughafen musste die ganze Entwicklung in die neue Flugverkehrswelt bis zur restlosen Überforderung mit den Passagierzahlen über sich ergehen lassen, während man in Schönefeld am BER baute und baute.
Der Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus, der im August 2021 seinen Abschlussbericht vorlegte, hat noch einmal bestätigt, wie katastrophal die Baugeschichte verlief. In drei Jahren und 43 Sitzungen hat der Ausschuss das Projekt unter die Lupe genommen. 60 Zeugen wurden vernommen, darunter auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Manager wie Hartmut Mehdorn, erst Bahn- und dann Flughafenchef, und Engelbert Lütke Daldrup, der 2017 übernahm. Die Bilanz ist bekannt: Planungsfehler, Baumängel und Missmanagement führten zur Verdreifachung der Baukosten auf 6,5 Milliarden Euro. Diese Last tragen zum großen Teil die Eigentümer - also die Steuerzahler - mal als Berliner, als Brandenburger oder als Bundesbürger.
Eine zentrale Lehre zog dieser Ausschuss aus dem Desaster: In Zukunft sollten nicht Politiker, sondern Baufachleute Großprojekte der öffentlichen Hand überwachen. Politisch besetzte Aufsichtsräte trügen nur zur Verteuerung und zu falschen unternehmerischen Entscheidungen bei. Klaus Wowereit (SPD) war der erste, der für das Baustellenchaos sorgte. Mit Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) wurde es nicht besser, und Michael Müller (SPD) war so klug, sich und seine Staatssekretäre allmählich zurückzuziehen. Bis auf Engelbert Lütke Daldrup, Stadtplaner, Beamter und rechte Hand Müllers. Ausdrücklich hebt der Untersuchungsausschuss hervor, dass nach dessen Amtsantritt vieles auf der Baustelle besser gelaufen sei. Termine seien ohne politischen Druck gesetzt worden, und ein realistisches Bild vom Stand der Arbeiten entstand. Auch die Baufirmen habe der „Tatortreiniger", wie er sich selbst nannte, besser im Griff gehabt.
Noch mehr Geld gegen die Insolvenz
Doch die Milliarden bleiben vorerst versenkt – die öffentliche Hand, sprich der Steuerzahler, wird so bald nichts von dem zurückerhalten, was sie in das Projekt investiert hat. Das gilt erst recht nach der Coronakrise, die sich nicht nur auf den BER, sondern auf den gesamten Flugverkehr dämpfend ausgewirkt hat. Wie es gelingen kann, den Flughafen jemals aus dieser Krise herauszuführen, steht allerdings in den Sternen. Nach neuen Berechnungen braucht das Unternehmen BER bis 2026 weitere 2,4 Milliarden Euro, um die Insolvenzgefahr abzuwenden.
Einstweilen werden sich internationale Fluggäste mit den Tücken des Berliner ÖPNV herumschlagen müssen. Es gibt zwar einen stündlich verkehrenden Airport-Express (FEX) zum Hauptbahnhof, aber auch der muss extra gezahlt werden und ist nicht wie bei der Deutschen Bahn im Ticketpreis („City-Ticket") enthalten. Ansonsten hat der Reisende am Ticketautomat die Wahl zwischen S 9, S 45, Bus X 7, X 71 (zuschlagpflichtig!).
Auch bei den Taxis klappt es nicht reibungslos. Derzeit ist die Zahl der Taxifahrer mit BER-Berechtigung eindeutig zu gering. Nach jahrelangen Gesprächen mit Berlin hat der Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) zugestanden, dass bis zu 600 Taxis die Ladeberechtigung bekommen können – je 300 aus Berlin und 300 aus dem Landkreis. Weil der BER im Kreis Dahme-Spreewald liegt, darf die Kreisverwaltung über den dortigen Taxiverkehr bestimmen. Berlin ist nur Bittsteller. Zum Vergleich: In Berlin haben momentan mehr als 7.000 Taxis eine Konzession.