Das Jazzfestival „Fill In" findet vom 7. bis 9. Juli im Deutsch-Französischen Garten in Saarbrücken statt. Der Schlagzeuger und Professor der Musikhochschule Oliver Strauch hat das neue „Internationale Jazzfestival Saar" initiiert.
Herr Strauch, wie kamen Sie auf die Idee für das Festival?
Ich war der Meinung, dass in der Landeshauptstadt wieder ein internationales Jazzfestival laufen sollte, das in die Region strahlt. In der Entwicklung in Saarbrücken habe ich gesehen, dass auch wieder viele junge Menschen den Weg zum Jazz gefunden haben, zum Beispiel durch das ehemalige „Zing". Das war für mich ein Signal, dass man die Möglichkeit schaffen sollte für Musik dieses Genres. Eigentlich war das ungefähr vor einem Jahr. Schon in der Corona-Zeit ging ich aber schwanger mit so einer Idee. Ich dachte, wenn es dann wieder losgeht, muss ich sofort an den Start. Dann kam es auch so.
Woher nehmen Sie sich die Zeit?
Gute Frage, eigentlich bin ich mit dem Zeitmanagement schon sehr, sehr am Limit. Auf der anderen Seite schafft dieser Druck auch eine gewisse Energie. Wenn man viel Zeit hat, heißt es nicht, dass es besser wird. Denn dann zögert man viel mehr. Insofern bin ich es gewohnt, unter diesem Druck zu arbeiten.
Das Festival sollte ursprünglich am Osthafen stattfinden, jetzt haben Sie sich für die Konzertmuschel im Deutsch-Französischen Garten entschieden – warum?
Wir, also das Team vom K8 Institut für strategische Ästhetik und ich, waren mit dem Sektor Heimat schon auf einem sehr guten Weg. Wir waren schon an dem Punkt, dass wir den Ort kommunizieren konnten. Dann aber wurde klar, dass das Gelände noch gar nicht bespielbar ist. Die örtlichen Gegebenheiten bieten 2023 noch nicht die Voraussetzungen für ein großes Open-Air-Festival. Es gibt dort zwar die Clubmöglichkeiten, die sind aber für ein großes Festival begrenzt. Wir werden kooperieren, um mal ein Clubkonzert in einem Off-Teil des Festivals zu machen.
„Mit den Agenturen im Gespräch"
Konnten Sie der Versuchung widerstehen selbst aufzutreten?
Ich finde, ein künstlerischer Leiter muss nicht unbedingt auf seinem eigenen Festival spielen. Ich weiß, andere Leute haben das gemacht. Ich bin auch schon gefragt worden, warum ich das nicht mache. Das kann man so oder so beantworten. Es gilt ja auch nicht für alle Zeiten. Nur für dieses Jahr finde ich es gut, dass ich mich nicht selbst auf die Bühne stelle.
Wie engagiert man John Scofield?
Indem man ihn fragt. Ich bin den Weg gegangen, den ich als Musiker gegangen bin, wenn ich mit großen Leuten spielen durfte wie Lee Konitz oder Kenny Werner, Biréli Lagrène, Randy Brecker oder wie sie alle heißen: Ich kontaktiere die Leute gerne. Man kennt meinen Namen, weil ich schon mit anderen Leuten gespielt habe. Das schafft Vertrauen. Aber selbst wenn ich die Künstler kenne, bin ich am Ende doch mit den Agenturen im Gespräch. Man kann trotzdem besser verhandeln, wenn man mit den Musikern ein bisschen bekannt ist. Das ist jetzt meine Erfahrung.
John Scofield kannte also Ihren Namen?
Es gibt einige Leute in New York, die schon mit mir gespielt haben, die konnten dann vertrauensvoll helfen.
Also Sie schreiben ihn an und er meint dann, ach, da könnte ich mal spielen bei dem?
Richtig.
Kommt er extra für diesen einen Auftritt?
Ja. Er kommt mit der Business Class, das sind halt die Kosten, die aufkommen. Wir ziehen auch die Vierteljahr-Klausel in den Verträgen durch: Dass ein Vierteljahr nicht in der weiteren Umgebung gespielt werden darf.
Wie haben Sie das Geld zusammengekriegt?
Ich bin einigermaßen vernetzt in der Region. Ich habe also Unternehmer und Privatpersonen angesprochen, von denen ich weiß, dass sie ein Herz für Musik haben und dass sie auch gerne etwas bewegen wollen. Dadurch konnte ich meine beiden Hauptsponsoren, die Dr. Theiss Naturwaren GmbH und die Peter und Luise Hager-Stiftung, gewinnen. Ich bin auch erst dann an die Politik gegangen, als ich schon ein bisschen Startkapital zusammen hatte. Damit ich dem Land oder der Stadt sagen konnte: Ich komme hier mit einer Idee, aber ich bringe auch schon etwas mit. Das finde ich vertrauenswürdiger, als wenn ich einfach gesagt hätte: „Bitte macht mal was!" Das Thema „Festival und Geld" ist ja auch eines nach den letzten Jahren, mit dem man sehr behutsam umgehen muss. Vorsichtig ausgedrückt.
100 Festival-Namen auf dem Tisch
Und dann ist Ihnen als Schlagzeuger der Name „Fill In" eingefallen …
Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, wie lange es dauert, einen Namen zu finden! Hat man einen, dann gibt es den schon 800 Mal oder er ist geschützt. Irgendwann waren wir mit unserem Latein am Ende. Wir hatten wirklich 100 Namen auf dem Tisch gehabt. Irgendwie, wie es so ist, kamen wir dann wieder auf die allererste Idee zurück, das war „Fill In". Wir füllen halt die Lücke in der Konzertlandschaft mit dem Festival. Außerdem ist die Improvisation im Jazz viel aus den Fill-ins des Schlagzeugs entstanden.
Wie läuft so eine Planung ab? Versucht man erstmal, all die zu kriegen, die man gern hätte, und hakt dann ab?
Also, ich hatte drei Acts ganz fest im Kopf. Nämlich Dorantes, John Scofield und Anne Pacéo. Okay, die künstlerische Leitung hat immer den Nachteil, dass der Geschmack des künstlerischen Leiters eine Rolle spielt. Damit muss ich leben, aber das kann ich auch. Dann war ich noch nah dran an Brad Mehldau und Christian Sands. Bei denen und anderen war es sehr schwer zu wuppen vom Tourplan her. Aber die, die jetzt kommen, wie Kenny Garrett, sind ja keine Leute aus der zweiten Liga.
Waren die Verhandlungen schwierig?
Ja, da geht es um solche Sachen: Welchen Flügel spielt wer, welche S-Klasse holt wen ab? Da muss man sich ein bisschen durchbeißen. Damit die nicht denken, dass wir in der Provinz sind, muss man halt sagen: Leute, wir machen einiges mit, aber auch nicht alles. Das ist ein Pokern. Wer die besten Nerven hat, der gewinnt am Schluss. Die Musiker sind nicht das Problem, es ist das Management. Aber wenn die Leute dann hier sind und mitkriegen, wie gut man im Saarland essen und trinken kann, wie schön das hier ist, werden die alle glücklich sein.
Wie kamen Sie auf Dorantes?
Ich bin leidenschaftlicher Fan von Flamenco und der Iberischen Halbinsel. Weil sich da so eine originäre Musikform gefunden hat, die viel Improvisation in sich trägt und beeinflusst ist durch die große Gypsy-Tradition und durch die andalusisch-maurischen Einflüsse. Orient und Okzident, das sind so Ewigkeitsthemen. Der Flamenco bringt eine enorme Energie mit sich. Dorantes setzt das fantastisch um und deswegen dachte ich, es könnte passen.
Ich hatte zuvor nie von einem Flamenco-Pianisten gehört …
Man denkt so ein bisschen an Chick Corea mit „Spain" und „La Fiesta", wo er diese Skalen einsetzt. Aber Corea kam vom Jazz her, Dorantes kommt direkt vom Flamenco.
Leon Phal und Anne Pacéo kommen nicht unbedingt aus der Großregion, oder?
Ja, der Brückenschlag geht da einfach nach Frankreich. Das Jubiläumsjahr des Élysée-Vertrags ist der vordergründige Grund, aber unsere Grenznähe sollte ja auch so nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Ich wohne ja selbst Richtung Stiring. Als die Grenze dicht war, ist einfach eine katastrophale Mentalität entstanden. Gerade im DFG sollten wir die Türen weit aufmachen für französische Bands.
Wie bekannt sind sie in Frankreich? Ziehen sie Publikum von jenseits der Grenze an?
Zum einen sind es junge Bands, das finde ich gut. Und Anne Pacéo hat für eine Jazzmusikerin eine unglaubliche Publicity. In der Metro in Paris habe ich Plakate von ihr gesehen. Leon Phal hat in Maciac (bedeutendes Jazzfestival in der Gascogne, Anm. d. Red.) gespielt und dadurch innerhalb Frankreichs Rückenwind. Das sind alles Bands, die brauchen Auftritte in Deutschland unbedingt, weil sie hier nicht so präsent sind.
Scofield spielt erst seit Kurzem alleine, oder?
Er hat sich darauf verlegt, aber er spielt auch nach wie vor mit Trios oder Quartetten. Ich habe ihn so verstanden, dass er sich selbst den Wunsch erfüllt, Dialoge zu spielen. Er sagt sich: Wenn ich alleine bin, entsteht eine ganz besondere Aura, die ich da ausstrahlen kann. Also wenn jemand die Gitarre meistert, ist es keine Seltenheit, dass er sich des Themas Solokonzert annimmt. Irgendwann wollen manche Gitarristen einfach wissen, wie es ist. Scofield benutzt auch ein Loopgerät, mit dem er sich ab und zu selbst begleitet. Ich hab ihn in der Elbphilharmonie gehört, da hat er das relativ sparsam eingesetzt. Das wird kein Overkill von Sounds.
„Wir suchen nach Synergien"
Was passiert jetzt noch bis zum Festival?
Wir versuchen noch ein paar Off-Konzerte zu planen, um den Namen publik zu machen. Wir suchen nach Synergien mit Saarlouis, St. Ingbert, Homburg und Frankreich. So dass man sagen kann: Nicht gegen andere, nur mit anderen kann’s gehen. Es muss nicht alles aus der Landeshauptstadt hervorgehen. Es kann in Saarbrücken das Herz schlagen, aber die Drähte sollten ins Saarland und nach Frankreich laufen.
Also soll „Fill In" mehr ein Saar-Jazzfestival sein?
Ja, mit dem Untertitel „Internationales Jazzfestival Saar" haben wir das ja schon so gesetzt. Es war lange im Gespräch, stattdessen „Saarbrücken" zu nehmen. Aber ich dachte, dass es uns einschränkt, falls es doch mal größer wird. Man will dann mal in die Abtei nach Tholey oder in die Fayencerie nach Saargemünd. Oder wir kooperieren mit anderen Bundesländern, da ist das mit der Saar im Namen einfacher.