Die französische Liedermacherin Agnès Bihl singt von den Freuden der Liebe, den Enttäuschungen und den Kämpfen des Lebens. Demnächst ist sie Gast der Konzertreihe „Laisse chanter les filles“ in der Aula der Universität des Saarlandes.
Sie beginnt ihre Karriere Ende der 90er Jahre. Agnès Bihl singt in den Pariser Bars und in der Metro. Die Lieder von Georges Brassens, Jacques Brel, Barbara und Léo Ferré, einige der erfolgreichsten Vertreter des französischen Chansons, gehören zu ihrem Repertoire. Bihl interpretiert nicht nur, sie schreibt ihre Texte auch selbst. Sie liebt pointierte Texte und Wörter, die sich reimen. Mit ihrer rebellischen Feder, ihrer Stimme und Energie macht sie schnell auf sich aufmerksam. Bereits ihr zweites Album „Merci Maman Merci Papa“ macht sie 2005 einem breiteren Publikum bekannt.
Ihr künstlerischer Werdegang erweitert sich um Zusammenarbeiten mit renommierten Liedermachern des Chansons, darunter Anne Sylvestre, die sie unter ihre Fittiche nimmt, und der große Charles Aznavour, der sie bittet, in seinem Vorprogramm zu spielen: Drei Monate lang gehen Bihl und Aznavour auf Tournee, 8.000 Zuschauende pro Abend. Es ist ein Durchbruch für sie. Aktuell ist Bihl mit ihrem siebten Album „Il était une Femme“ (Es war einmal eine Frau) auf Tournee.
Wenn sie nach der Entstehung ihrer Lieder gefragt wird, lässt ihre metaphorische Antwort nicht lange auf sich warten: „Es ist ein bisschen wie in einer großen Familie. Man kann zwar die Mutter aller Kinder sein, aber sie sind alle unterschiedlich.“ Inspirationen finde sie überall, es könne eine flüchtige Idee sein, eine gut klingende Wendung, ein Thema, dem sie ein Lied widmen möchte.
Ihre Texte sind engagiert, feministisch, feinfühlend. Es sind sowohl Geschichten, die mit ihr zu tun haben und welche, die ihrer Fantasie entspringen. „Meine Sensibilität kommt nicht von irgendwoher, sie besteht aus dem, was ich erlebt habe, was ich nicht erlebt habe, was ich gerne erlebt hätte, was ich lieber nicht erlebt hätte. Ein Teil von mir fließt natürlich in meine Texte ein, sonst gäbe es keine Aufrichtigkeit“. Sie sei jedoch nicht „sehr nabelschauend“. Sie betont, dass das Schreiben ihrer Lieder nichts mit dem Schreiben eines Tagebuchs zu tun habe: „Wenn ich Tagebuch schreibe, behalte ich es für mich und gehe damit nicht auf die Bühne.“
„Engagement kann auch Liebe sein“
Agnès Bihl bezeichnet sich selbst als „Arbeitstier“. Wenn sie an ihrem Arbeitstisch sitzt, fühle sie sich „wie eine Handwerkerin, die ihre Texte immer wieder umschreibt und bis zur vollsten Zufriedenheit verfeinert“. Sie erkenne darin bereits „einen Rhythmus, fast eine Melodie“. Wenn der Text fertig ist, ergebe sich die Musik wie von selbst. Meist werden die Lieder in enger Zusammenarbeit mit befreundeten Komponisten und Musikern vertont: eine instrumentale Studioversion und eine Version für Gesang und Klavier für die Tournee.
Die Handwerkerin wird erst zur Künstlerin, wenn sie auf der Bühne singt und ihre Chansons mit dem Publikum teilen kann. Sie sei mehr Bühnenkünstlerin als Studiokünstlerin und liebe die Begegnung mit den Konzertbesuchern. „Auf der Bühne verausgabe ich mich körperlich ziemlich“, gibt sie lachend zu. Sie spricht von „totalem Engagement“. Ihre Energie ist ansteckend, was auch während des Interviews spürbar wird. Ihre Konzerte seien als Shows konzipiert, in denen sich lustige und bewegende Lieder abwechseln. Sie liebt es, mit dieser Palette an Emotionen zu spielen.
Sind ihre Lieder politisch? Ja, zweifellos. Die Sängerin, die in einem politisch engagierten Umfeld aufgewachsen ist, und sich offen als linksstehend bezeichnet, spricht von „sozialen Chansons“. Sie schreibt 2018 den Text eines Chansons des populären Liedermachers Renaud um zu einem scharfen offenen Brief an den Präsidenten Emmanuel Macron, um gegen dessen Politik zu protestieren: „Ça va Manu?“ (Wie geht’s Manu?; Kürzel für den Vornamen Emmanuel, Anm. d. Red.) erreicht um die zwei Millionen Online-Aufrufe. „Politik, egal ob man sich bewusst dafür interessiert oder völlig desinteressiert ist, ist Teil des Lebens“. Anstatt von Politik zu sprechen, ein Begriff, den sie nicht ablehnt, der ihr aber zu reduzierend erscheint, bevorzugt sie das Wort Engagement: „Engagement kann politisch sein. Aber Engagement kann auch Liebe sein“.
Agnès Bihl hat viel zu sagen. Sie spricht Themen wie Ungleichheit, Demütigung, Verachtung, Arroganz ungefiltert an. Ihr prägnanter Stil flirtet oft mit fröhlichen Rhythmen. Einige Lieder zeugen von Düsternis, durch die dennoch ein Licht schimmert. Andere sind voller Humor oder Selbstironie. Lachen und Weinen zugleich, gepaart mit einer aufrührerischen Empörung – das ist es, was die Chansons von Agnès Bihl so besonders machen.
In Deutschland zu spielen bereitet ihr besonders viel Freude. Ihr Großvater mütterlicherseits war Deutscher, sie hat ihn nie kennengelernt und nie die Sprache gelernt. Sie erinnert sich an ihren Auftritt in Saarbrücken im Jahr 2011 beim deutsch-französischen Festival für Bühnenkunst Perspectives. Die Pianistin, die sie begleitete, hatte ihr damals deutsche Worte zur Begrüßung des Publikums zugeflüstert.
Die Organisatoren von „Laisse chanter les filles“ – Agnès Bihl beschließt die Konzertreihe – das Institut für Musikwissenschaft und das Chansonarchiv Saarbrücken bieten im Programmblatt eine deutsche Übersetzung der vorgetragenen Lieder an. Ein wunderbares Mittel, um das französische Chanson einem nicht französischsprachigen Publikum auch sprachlich zugänglich zu machen.