Entgegen dem Trend zur rasanten Abnahme der Artenvielfalt ist in Deutschland die Wiederansiedlung des Wolfes gelungen. Obwohl dessen Bestand mit rund 2.000 Tieren überschaubar ist, fordern verschiedene Interessenverbände zum Schutz der Weidetiere schon wieder eine Jagd auf den Canis lupus.
Es war eine regelrechte Sensation, als 1996 in der sächsischen Lausitz erstmals wieder ein in freier Wildbahn lebender Wolf, dessen wissenschaftliche Bezeichnung Canis lupus lautet, gesichtet werden konnte. Schließlich wurde dieses zu den Großkanivoren zählende Raubtier hierzulande bis Mitte des 19. Jahrhunderts durch gnadenlose Jagd nahezu komplett ausgerottet, obwohl der Wolf ursprünglich von allen Säugetieren weltweit am weitesten verbreitet gewesen war. Im Frühjahr 2000 kam dann die nächste positive Nachricht für alle hiesigen Naturschützer und Tierfreunde, als in der Muskauer Heide im Nordosten Sachsens erstmals wieder Wolfswelpen gesichtet werden konnten, deren Eltern aus dem direkt benachbarten polnischen Territorium, wo Isegrim nicht gejagt werden darf, eingewandert waren.
Laut der 2016 auf ausdrücklichen Wunsch der Umweltminister der Bundesländer eingerichteten Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) verlief die Wiederansiedlung des Tiers bis zum Jahr 2005 in deutschen Regionen nur sehr zögerlich. Seither erarbeitet die DBBW jedes Jahr ein ausführliches Monitoring über Verbreitung, Bestand und Management des Europäischen Grauwolfs, der spätestens seit der von allen europäischen Ländern angenommenen Berner Konvention von 1979 zu den streng geschützten Tierarten zählt. Ab 2006 konnte dann aber eine dynamische Ausbreitung registriert werden. Inzwischen sind die Wölfe in den meisten Bundesländern wieder heimisch geworden. Die Schwerpunkte der Verbreitung liegen in Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, während sich im Westen und Süden der Republik eher einzelne Wolfs-Territorien etabliert haben. Aktuell gibt es deutschlandweit 161 Rudel, 44 Paare und 21 dauerhaft sesshafte Einzeltiere. In 145 Rudeln konnten Reproduktionen nachgewiesen werden. Was die genaue Zahl der Wölfe angeht, so gibt es darüber nur Schätzungen, wobei der WWF von 1.200 bis 1.400 Tieren ausgeht, der Deutsche Bauernbund von 1.500 bis 2.700. Der vorsätzliche Abschuss eines Wolfes wird in Deutschland als Straftatbestand eingestuft und wird mit einer Geldstrafe oder gar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. Selbst eine versehentliche Tötung eines Wolfes hat Geld- oder etwaige Freiheitsstrafen zur Folge.
Aktuell gibt es 161 Wolfsrudel
Nur in Ausnahmefällen kann vom Gesetzgeber eine Abschussgenehmigung erteilt werden. Beispielsweise wenn ein einzelnes Raubtier immer wieder gravierende Beuteschäden an Weidetieren verursacht. Schutzmaßnahmen wie Zäune beziehungsweise deren Fehlen sind das grundlegende Problem, das sich bei der Wiederansiedlung der Wölfe und auch bei der hierzulande gewollten Revitalisierung des Bestands von Luchs oder Braunbär stellt. Denn mit dem Anstieg der Wolfspopulation war über die beiden vergangenen Jahrzehnte hinweg eine deutliche Zunahme der Verluste von Schaf- und Ziegenhalter-Betrieben verbunden, gelegentlich waren auch Betreiber von Gatter-Wild und Rinder-Züchter betroffen, wobei es die Raubtiere dabei hauptsächlich auf Kälber abgesehen hatten. Bis zu rund 4.000 Weidetiere waren den Wölfen, die zur täglichen Ernährung drei bis vier Kilogramm Fleisch benötigen, dabei jährlich zum Opfer gefallen. In freier Wildbahn sind Wölfe bei der Jagd auf Schalenwild spezialisiert, in Mitteleuropa sind Reh-, Rot- und Schwarzwild ihre präferierte Beute.
Dass sie es nun hierzulande auch auf Schaf- oder Ziegenherden abgesehen haben, lässt sich einfach auf den Bequemlichkeitsfaktor zurückführen. Statt sich im Wald mit Schalenwild abzumühen, haben sie bei den in Pferchen zusammengetriebenen Weidetieren relativ leichtes Spiel. Die Wölfe haben zwar eine natürliche Scheu vor den Menschen, weshalb es seit ihrem Wiederauftauchen auch noch keinen einzigen personenbezogenen Zwischenfall gegeben hat, nicht aber vor menschlichen Infrastrukturen. Diese waren in Gestalt von Einfriedungen seit mehr als 150 Jahren mangels bedrohlicher Raubtiere allein darauf ausgelegt, die Weidetiere am Weglaufen zu hindern. Doch sie taugten nicht zur Abwehr möglicher gefährlicher Angreifer von außen.
Mit dem Auftauchen der Wölfe war plötzlich ein komplettes Umdenken der Weidetier-Halter vonnöten. Das hat nur zögerlich in vielen Köpfen eingesetzt und hatte daher teils regelrechte Massaker auf den eingezäunten Weiden zur Folge. In die Umfriedung eingedrungene Wölfe konnten ihren natürlichen Jagdinstinkt nicht mehr zügeln und hatten nicht nur ein einziges, zur Ernährung völlig ausreichendes Tier getötet, sondern schon mal ein regelrechtes Blutbad angerichtet. Im Schnitt werden derzeit bei Wolfsübergriffen durchschnittlich 3,5 Weidetiere getötet.
Von behördlicher Seite wurde den Weidetierhaltern deswegen dringend zur Installation eines stark wirksamen und abschreckenden Elektro-Schutzzauns und zur Übernahme speziell ausgebildeter Herdenschutzhunde gegen mögliche Wolfsattacken geraten. Die dafür notwendigen Kosten sollten sogar übernommen werden. 2021 wurden für den Präventionsschutz rund 16,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, für Nutztier-Schäden lagen die Ausgleichszahlungen hingegen nur bei rund 500.000 Euro. Im Schadensfall werden inzwischen nur dann noch pekuniäre Erstattungen geleistet, wenn ein zum Mindeststandard erklärter 90 Zentimeter hoher Elektrozaun vorhanden ist. Experten erachten allerdings eher einen bis zu 1,2 Meter hohen Elektro-Drahtzaun für nötig. Überraschenderweise konnte europaweit ermittelt werden, dass das Ausmaß der Schäden an Nutztieren nicht in erster Linie von der Größe des Wolfsbestandes im jeweiligen Land abhängt, sondern größtenteils davon, wie gut oder wie schlecht die ergriffenen Schutzmaßnahmen waren.
Wunsch nach Bejagung des Wolfes
Dennoch mehren sich in den letzten Jahren schon wieder die Aufrufe und Forderungen von Interessenverbänden wie diversen Bauernvereinigungen oder Schaf- und Ziegenhalter-Organisationen, die Jagd auf Wölfe freizugeben. Nur dadurch könne die Weidewirtschaft gerettet werden, denn das Aufstellen von Zäunen, die ohnehin keinen absolut sicheren Schutz vor Wolfsangriffen bieten könnten, sei nicht überall möglich. Die Erhaltungskosten für die Schutzmaßnahmen seien zu hoch und würden auch nicht erstattet werden. Außerdem sei der Aufwand für die Schadensregulierung viel zu groß. Daher fordert beispielsweise das in Berlin ansässige „Aktionsbündnis Forum Natur“, dass „der Bestand der Wölfe in Deutschland aktiv reguliert und kontrolliert werden“ müsse. Weitaus drastischer hatte sich ein Sprecher des Bauernbundes Brandenburg geäußert, weil nur durch „einen rigorosen Abschuss von Wölfen die Voraussetzungen für den Fortbestand der naturnahen artgerechten Weidewirtschaft zu schaffen“ seien.
Der WWF sieht hingegen in einer Bejagung des Wolfes kein sinnvolles Instrument zur Lösung des Konflikts, sondern rät zum Ergreifen entsprechender Schutzmaßnahmen. Es gibt allerdings auch renommierte Wissenschaftler wie Prof. Klaus Hackländer, der an der Wiener Universität für Bodenkultur in den Bereichen Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft forscht, der für die Zukunft durchaus eine Anpassung der EU-Schutz-Richtlinien im Umgang mit dem Wolf für sinnvoll hält – spätestens sobald der Wolf in Deutschland keine gefährdete Tierart mehr sein sollte und sich die Schadensfälle weiter häufen sollten.