In „Die Gewerkschafterin“ kämpft eine Frau um Gerechtigkeit und ihren Ruf. Seit 27. April ist der Film mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle im Kino zu sehen.
Wer sich für andere einsetzt, riskiert Anfeindungen – das weiß Maureen Kearney (Isabelle Huppert), als Gewerkschafterin für die Beschäftigten beim französischen Atomenergie-Konzern Areva zuständig, nur zu gut. Wenn es hart auf hart kommt, bezieht sie klar Position. Und auch auf internationaler Ebene setzt sie sich ein. Etwa, als in einem Kraftwerk des ungarischen Ablegers des Unternehmens die Frauen entlassen werden sollen.
Mit der langjährigen Areva-Chefin Anne Lauvergeon (Marina Foïs) arbeitet Maureen vertrauensvoll zusammen – auch wenn die beiden manchmal unterschiedliche Interessen vertreten müssen. Doch dann verliert Lauvergeon im Jahr 2011 auf Betreiben des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ihren Posten. Nachfolger wird ihr Stellvertreter Luc Oursel, mit dem Maureen nicht so gut klarkommt.
Geschichte einer Whistleblowerin
„Die Gewerkschafterin“ basiert auf realen Ereignissen. Regisseur Jean-Paul Salomé ist ein ruhiger, unaufgeregter Film gelungen, der das Geschehene sachlich wiedergibt. Das erzeugt Nähe zur Hauptfigur; man sollte aber trotzdem nicht vergessen, dass es sich um einen Spielfilm handelt, der sich auch einiges an künstlerischer Freiheit nimmt.
Der Film beginnt mit einem Überfall auf Maureen. Genauer gesagt damit, dass ihre Haushälterin sie gefesselt im Keller ihres Hauses entdeckt. Auf ihrem Bauch ist ein „A“ eingeritzt, und in ihrer Vagina steckt der Griff eines Messers. Die Vermutung liegt nahe, dass jemand sie einschüchtern will. Bevor sich der Film aber näher mit den Folgen des Überfalls beschäftigt, geht er erst einmal in der Zeit zurück und lässt das Publikum Teile von Maureens Arbeit erleben.
Eine Weile nach dem Chefwechsel bekommt Maureen von einem Whistleblower bei dem vom französischen Staat dominierten Stromerzeuger EDF (Électricité de France) brisante Dokumente zugespielt. Offensichtlich verhandelt man dort heimlich mit einem chinesischen Staatskonzern, um gemeinsam Atomkraftwerke zu bauen. Ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen im Kraftwerksbau von Areva könnte die Folge sein. Maureen setzt alle Hebel in Bewegung, um das zu verhindern. Dazu trifft sie unter anderem die ehemalige Areva-Chefin, versucht Abgeordnete auf ihre Seite zu bringen und konfrontiert den aktuellen Areva-Chef mit den Plänen. So wird sie selbst zur Whistleblowerin.
Hervor sticht die Leistung von Isabelle Huppert. Sie ist seit den 70er-Jahren aus dem französischen Kino nicht wegzudenken und gehört inzwischen zu den ganz Großen in ihrem Metier. Zu den bekanntesten Filmen dürfte „8 Frauen“ (2002) von François Ozon gehören; hier spielt sie die Rolle einer verständnislosen, bösartigen Frau. Über internationale Filme wie Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“ (2001) ist sie in Deutschland bekannt sowie durch Paul Verhoevens Action-Thriller „Elle“ (2016).
Isabelle Huppert sticht hervor
Der Film „Die Gewerkschafterin“ hat durchaus seine Längen. Eigentlich erzählt er zwei Geschichten: Die um faule Geschäfte in der französischen Atomindustrie, und die um eine Frau, die Opfer eines Verbrechens wird, anschließend aber um ihre Ehre kämpfen muss.
Denn auf einmal steht Maureen für die Ermittler nicht mehr als Opfer des Überfalls da. Sie glauben vielmehr, dass sie ihn nur vorgetäuscht hat, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und genau wie in Deutschland ist auch in Frankreich das Vortäuschen einer Straftat eine Straftat. Auf einmal werden Maureen Dinge zur Last gelegt, die eigentlich mit dem Überfall nichts zu tun haben. Dass sie Jahrzehnte zuvor Opfer einer Vergewaltigung geworden war. Dass sie in psychotherapeutischer Behandlung ist. Und dass sie gern Krimis liest und darin Textstellen angestrichen hat. Maureen ist hin- und hergerissen. Soll sie aufgeben? Oder um ihren Ruf kämpfen? Für was auch immer sie sich entscheidet, es könnte ein Fehler sein.