Eine fliegende Untertasse landet im Garten eines Rentners, der das schweigsame Alien bei sich aufnimmt. „A Great Place to Call Home“ ist ein liebevoll-skurriler Film mit Ben Kingsley in der Hauptrolle. Seit dem 1. Februar ist er im Kino zu sehen.
In der Gemeindesitzung – der ersten Szene des Films – wimmelt es nur so von alten Menschen, die sich mit Anregungen zur Verbesserung der Stadt zu Wort melden. So wirklich interessiert es aber niemanden, was die Alten da reden. Der Gemeinderat schweigt genervt. Wie die Anregungen der beiden älteren Frauen Sandy (Harriet Sansom Harris) und Joyce (Jane Curtin) verhallt auch die Wortmeldung des Rentners Milton (Ben Kingsley).
Protagonisten als Außenseiter
Das sonstige Leben von Milton ist ebenso unspektakulär. Den 78-Jährigen mit wirrem Haar, entrücktem Blick, der mit stoischer Ruhe seinem Alltag nachgeht, spielt Ben Kingsley unaufgeregt, aber eindringlich. Er bekommt ab und zu Besuch von seiner Tochter Denise (Zoe Winters), die zwar nie viel Zeit hat, sich aber Sorgen wegen der Vergesslichkeit des Vaters macht. Abends verspeist Milton dann allein am Tisch verbrannte Pizza und schaut fern.
Als er eines Nachts von einem hellen Licht geweckt wird, stellt er fest, dass ein UFO in seinem Garten eine Bruchlandung hingelegt und – für Milton sehr dramatisch – seine Azaleen zerstört hat. Er wählt den Notruf und berichtet genau das: Eine fliegende Untertasse sei im Garten gelandet und habe die Azaleen zerstört. Die Frau am anderen Ende legt auf. Auch seine Tochter ist nicht zu erreichen, ihre Mailbox ist voll. Also legt sich Milton wieder schlafen. Am nächsten Tag erzählt er auch in der Stadtratssitzung vom UFO: Es sei in seinem Garten gelandet und habe seine Azaleen zerstört. Wieder wird er nicht ernstgenommen. Als er nach Hause kommt, findet er außer dem UFO ein Alien (Jade Quon) auf seiner Terrasse. Es ist menschenähnlich, so groß wie ein Kind, blass, zart. Und es spricht nicht, sondern schaut nur verständnisvoll aus großen Augen.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Das ist mir vorher noch nie passiert“, sagt Milton entschuldigend, als er das Alien ins Haus bringt, es mit Wasser und Essen versorgt (das Alien favorisiert Äpfel), es herumführt und ihm erklärt, wie die Toilettenspülung und die Fernbedienung funktionieren. Das Alien steht schweigend da und schaut sich alles an. Ob es versteht, was Milton erzählt, weiß man nicht wirklich. Je öfter Milton in der Stadt davon erzählt, desto eher hält man ihn für verwirrt. Nur Sandy und Joyce glauben ihm, als sie das Wesen mit eigenen Augen sehen. Sandy tauft es schließlich auf den Namen Jules und zieht ihm ein altes T-Shirt ihrer Tochter an.
Projektionsfläche für Bedürfnisse
„Er hat so verständnisvolle Augen“, sagt sie, nachdem sie Jules ihr Herz über ebenjene Tochter ausgeschüttet hat, mit der sie kaum noch Kontakt hat. Das Gespräch wird emotional. Jules schaut verständnisvoll und hört zu. Auch Milton erzählt dem Alien aus seinem Leben, Joyce singt Jules inbrünstig ein Lied vor. Die drei Menschen und das Alien werden zu einer Art Clique, die Frauen bemuttern es, kleiden es ein, Milton versorgt es mit Essen. Und Jules ist einfach da, hört den Senioren zu – ist aufmerksam, wo es sonst niemand ist. Der Film würde tatsächlich auch ohne Alien Jules funktionieren. Drei Senioren freunden sich an, blühen gemeinsam wieder ein wenig auf. Dann wäre „A Great Place to Call Home” einfach eine weitere (wahrscheinlich französische) Komödie über drei einsame Menschen, die am Lebensabend noch einmal etwas Tolles tun.
Durch das schweigsame, blasse Wesen kommt aber nicht nur ein Katalysator für eine spannende Handlung (denn auch die Regierung wird auf Jules aufmerksam) oder eine gewisse Absurdität (Jules benötigt zum Beispiel tote Katzen, um sein Raumschiff wieder zum Laufen zu bringen, weshalb die Rentner an der Landstraße nach überfahrenen Katzen suchen, dabei aber nur einen Waschbär und ein plattes Opossum finden) mit ins Spiel – das Alien wird vielmehr auch zu einer Art Mahnmal, durch das die Frage aufkommt: Muss denn ein Alien im Garten landen, um echte Menschlichkeit zu zeigen? Es steht als Figur im Gegensatz zu den gestressten, unaufmerksamen Leuten im Umfeld der Senioren, die die alten Menschen und ihre Lebensrealität nicht ernst nehmen, sie stattdessen nur als anstrengend, belastend, senil oder hilfsbedürftig sehen. Die eigentlichen Bedürfnisse der Hauptfiguren aber, zum Beispiel nach einem Zuhörer (der sie nicht bewertet) oder auch nach einer Aufgabe im Leben, werden durch ihren Umgang mit Jules umso deutlicher.
Regie führte Marc Turtletaub, der bisher eher als Produzent (etwa bei „Little Miss Sunshine“, 2006) in Erscheinung trat. Die Musik, die bei diesem Film ebenfalls hervorzuheben ist, stammt vom deutschen Komponisten Volker Bertelmann, der 2022 für seine Filmmusik zu „Im Westen nichts Neues“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.