Darina Matvejeva ist ein Tennis-Wunderkind. Die Elfjährige ist mit ihrer Familie aus Lettland ins Saarland gezogen, um sich schon jetzt bestmöglich auf eine Karriere als Profi vorzubereiten.
Aufgefallen ist ihr Talent im Saarland vor etwa einem Jahr, als sie an einem Turnier der internationalen Serie „Tennis Europa Junior Tour“ für die Altersklasse U12 in Neunkirchen teilgenommen hatte – und das im Alter von gerade einmal zehn Jahren. Im Vorfeld und während des Turniers fanden die Eltern allerdings keine freien Trainingsplätze. „Sie ist also das halbe Saarland mit ihren Eltern abgefahren, um nach einer freien und nicht gesperrten Anlage zu suchen“, erinnert sich Pascal Benz von der Tennisschule „Tennis Network“.
Beim von ihm als Cheftrainer betreuten Verein TC Limbach wurde die lettische Familie schließlich fündig: „Wir konnten ihnen einen freien Platz anbieten. Daraufhin haben sie sich nach einem Trainer erkundigt, der mit ihr im Laufe der Turnierwoche trainieren könnte“, erinnert sich Benz. Auch hier konnte der Verein mit Benz und dem für den Leistungsbereich der Tennisschule zuständigen Cheftrainer des TC Blau-Weiss Homburg, Moritz Pfaff, Abhilfe schaffen. „Wir haben uns das aufgeteilt und sie in dieser Zeit viermal trainiert“, berichtet Benz. Auch über das Turnier in Neunkirchen hinaus blieben die Trainer mit der Familie in Kontakt. In der Folge wurde Darina zum renommiertesten Jugendturnier der Welt der Altersklasse U12 nach Auray (Frankreich) eingeladen – und schaffte dort eine kleine Sensation: Als Elfjährige setzte sie sich gegen die besten Zwölfjährigen der Welt durch und gewann das Turnier. „Das ist schon außergewöhnlich“, weiß Trainer Pascal Benz. Nach ihrem Erfolg wurde Darina von IMG, einer der größten Sportagenturen der Welt, auf deren Sichtungsturnier „Future Stars“ für Kinder aus der ganzen Welt in der griechischen Hauptstadt Athen beim renommierten Tatois Club eingeladen. Das Turnier fand im April 2023 statt und hätte auf Sand ausgetragen werden sollen.
Da die Tennisplätze in Lettland zu dieser Jahreszeit in keinem adäquaten Zustand sind, machte sich Familie Matvejeva auf die Suche nach Alternativen. Dabei kam den Eltern der gute Kontakt ins Saarland in den Sinn. Nach kurzem Austausch mit der Tennisschule nahmen sich Pascal Benz und Moritz Pfaff der Elfjährigen erneut an und integrierten sie zwei Wochen lang in den Trainingsbetrieb. „Wir konnten der Familie eine Unterkunft und dank der Unterstützung unseres Hauptsponsors, das Ford-Autohaus Neu in Homburg, ein Auto zur Verfügung stellen“, erzählt Benz. Das Engagement und die Rahmenbedingungen kamen bei Darinas Eltern so gut an, dass sie sogleich die Option prüften, ganz nach Deutschland umzuziehen, um ihrer Tochter die bestmöglichen Trainingsbedingungen zu bieten. Und so kam es schließlich auch.
Kleine Sensation in Frankreich
Darinas Vater Oleg ist Fußballtrainer im norwegischen Oslo, wo er berufsbedingt auch wohnt. Wann immer es geht, besucht er seine Töchter und deren Mutter Irina. Die jüngere Tochter Vasilisa wurde bereits in Deutschland eingeschult. Darina hingegen absolviert von ihrer neuen Heimat Deutschland aus eine lettische Online-Schule. Dennoch lernt sie, wie auch der Rest der Familie, gerade die deutsche Sprache. Da die Matvejevas in direkter Nachbarschaft von Trainer Pascal Benz‘ Familie wohnen, läuft die Integration in die saarländische Gesellschaft schon sehr gut. „Die Eltern unterstützen sie bei allem vorbildlich, üben dabei aber keinen Druck aus und gehen behutsam an die Sache heran“, sagt Pascal Benz und ergänzt: „Wir stehen auch schon mit dem Deutschen Tennisbund bezüglich einer möglichen Berufung in die deutsche Nationalmannschaft in Kontakt.“ Zu entsprechenden Lehrgängen wurde sie bereits eingeladen.
Bisher hat Darina Matvejeva an sechs U12-Turnieren der höchsten europäischen Kategorie teilgenommen – und im Einzel alle gewonnen. Einige davon sogar zusätzlich auch im Doppel. Beim vorerst letzten Turnier auf diesem Level, das Mitte Juli in Tschechien stattfand, hatte sie bis zum Finale insgesamt nur ein Aufschlagspiel verloren. Die Liste der besten Mädchen unter zwölf Jahren in Europa führt sie mit großem Abstand an. „Sie gehört weltweit zu den besten Drei unter Zwölf. Auf dem gleichen Level gibt es im Moment nur ein Mädchen aus Südkorea und eines aus China. Dahinter kommt erst einmal lange nichts“, weiß Benz und kündigt an: „Sie ist immer noch elf Jahre alt, aber wir bereiten sie schon für die nächsthöhere Altersklasse, die der unter 14-Jährigen vor.“
Er war selbst in der Altersklasse U12 international erfolgreich unterwegs und kann die Leistungsfähigkeit der zierlichen Lettin gut einschätzen: „Also ich selbst habe so ein Talent noch nicht gesehen, schon gar live nicht im Saarland. Sie lernt sehr schnell und wächst an ihren Aufgaben. Sie ist sehr ungeduldig, beendet aber keine Übung, bevor sie sie nicht geschafft hat. Sie muss es hinkriegen, sonst ist die Stimmung im Keller.“ Bisher hat diese Taktik immer zum Erfolg geführt: „Wenn sie einmal eine Lösung gefunden hat, wird diese für immer gespeichert und dauerhaft in ihr Spielsystem integriert.
Darina ist für ihr Alter recht klein, wirkt unscheinbar und ihr Spielstil ist eher unspektakulär. „Was sie auszeichnet, ist das große Spielverständnis, ihre Cleverness und ihre große Konstanz. Sie macht einfach keine Fehler“, erklärt der Trainer: „Und sie hat immer eine Lösung parat. Egal, ob ihre Gegnerin größer oder schneller ist – Darina erkennt und versteht die Situation und weiß, wie sie zu lösen ist. Ihre große Variabilität kommt ihr hierbei zugute. Es gibt bei ihr keinen Grundschlag, der schwach ist.“
„Sie macht einfach keine Fehler“
Um sie überhaupt in Bedrängnis zu bringen, trainiert die junge Lettin unter anderem mit älteren Talenten aus der Region und sogar mit gestandenen Männern –
beispielsweise dem frisch gebackenen Deutschen Meister der Herren 40, Thomas Burgemeister. Als einzige Spielerin in Deutschland darf die Elfjährige in ihrem jungen Alter bereits in Damenmannschaften spielen. Dies wurde ihr expliziert von höchster Stelle genehmigt. Auch hier hat sie eine weiße Weste: Für den TC Homburg hat sie alle ihre Pflichtspiele gewonnen und maßgeblich zum Oberliga-Aufstieg 2023 beigetragen. Im November treffen auf Mallorca im Rahmen der Tennis Europe Finals die besten Kinder aus den Serien-Turnieren aufeinander. Bis dahin wird sie nicht mehr bei U12-, sondern bei U14-Turnieren spielen und wohl auch dort gleich in der höchsten Kategorie einsteigen. „Man kann Darina nicht mit anderen Kindern in ihrem Alter vergleichen. Sportlich und menschlich nicht“, findet Pascal Benz: „Sie ist neben dem Platz extrem schüchtern. Nur bei anderen Kindern findet sie in der Regel schnell Anschluss. Aber sobald es um Tennis geht, wird sie plötzlich eine andere, sehr ernste Person.“ Darina trainiert mehr als vier Stunden pro Tag – auch mit Athletiktrainer Dominik Seel. Sie nimmt ihr Hobby sehr ernst. Vielleicht schon zu ernst? „Dass es sich nicht um klassisches Kindertraining handelt, in dem der Spaß im Vordergrund steht, macht es auch für die Trainer etwas schwierig“, gibt Benz zu.
Dennoch kommt Darina mit anderen Talenten sehr gut klar. Beispielsweise mit Luna Zytelewski aus Furpach, ebenfalls Altersklasse U12, die Mitte Juli die international besetzten Saarland Junior Open in Neunkirchen gewonnen hatte. Für sie und andere Kinder im Saarland ist das „Wunderkind“ Darina Matvejeva eine Motivation, aber eben auch eine Teamkameradin und Freundin.