Leistungs-Legenden wie die „Golden Girls“ des Deutschen Tennisbundes geben sich noch einmal die Ehre: Weltmeistertitel, Rückkehr aus der Babypause, „Bum-Bum-Bine“ siegt wieder. „Return“-Gerüchte gibt es auch um Publikumsliebling Nadal.
Was für ein Jahreswechsel im Tennis. Während die eine – wie Anett Kontaveit – oder der andere – wie John Isner – leise „Servus“ sagen und den internationalen Courts den Rücken zuwenden, kehren lang vermisste Publikumslieblinge zurück. Unermüdliche Weitermacher freuen sich indes über Siege, die sie spät in ihrer Karriere strahlen lassen. So wie Laura aus Stuttgart.
Ein Glück, dass sie länger als geplant bei ihrer Profi-Karriere geblieben ist: Laura Siegemund zeigt mit 35 Jahren, wie Gewinnen gegen alle Widrigkeiten funktioniert. Die für Metzingen antretende DTB-Spielerin hatte monatelang gebangt, ob sie bei den Weltmeisterschaften des Damen-Tennis im mexikanischen Cancún antreten darf. Wichtige Punkte fehlten. Von manchen Turnieren auf der Zielgeraden zu den WTA Finals fuhren Laura und ihre Doppelpartnerin, Vera Swonarewa, mit leeren Händen wieder ab. Dabei ist das Zweier-Team gut eingespielt, hatte 2020 den Grand-Slam-Titel bei den US Open abgeräumt. In letzter Minute qualifizierte sich das Duo: Ein Sieg in Nanchang und die letzten Tickets für die WM gehörten ihnen. „Am Ende war es so, dass wir das letzte Turnier der Tour dieses Jahres gewinnen mussten. Da war so ein Druck, so eine Spannung, dass wir quasi den Sieg schon errungen haben mit dieser Qualifikation“, erzählte Siegemund, als ihr historischer Weltmeistertitel für Deutschland im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF gewürdigt wurde.
„Im Tennis muss man schon viel hinnehmen“
Reichlich gelassen, gleichsam wie auf Flügeln, begab sich die gelernte Psychologin in die rauen Winde von Cancún. „Happy“, dabei zu sein. „Man muss fair sagen, dass die Bedingungen katastrophal waren“, berichtete die Doppelweltmeisterin. Die Kriterien der WTA seien das ganze Jahr über hoch. „Dann hat die WTA ihr Abschlussevent, und das ist dann so organisiert: In der Hurricane-Season, Outdoor, die Plätze waren nicht fertig.“ Die Zuschauer würde nichts davon mitbekommen, was hinter den Kulissen passiert. Dass sich die Spielerinnen immer wieder aufgewärmt hatten, während sie fünf Stunden darauf warteten, den Wetterkapriolen beim Austragen des Jahresspitzen-Events während ihrer Matches im Freien zu trotzen. „Im Tennis muss man schon viel hinnehmen.“
Tage später entstand ein Foto von Siegemund und ihrer 39-jährigen Doppelpartnerin, wie sie einen halben Meter über dem Boden von Cancún schwebten. Diesmal nicht von Böen gebeutelt, sondern im Glücksrausch gesprungen: Sie hatten das Finale der WTA Finals gewonnen. Die Deutsche und die Russin, auf deren Kappe „No War“ steht, besiegten Nicole Melichar-Martinez (USA) und Ellen Perez (Australien) mit 6:4, 6:4. – Laura Siegemund hatte sich als erste Deutsche den Titel einer Weltmeisterin im Doppel erkämpft. „Das war ein Karrieretraum von mir“, freute sich die gebürtige Stuttgarterin.
Wir erinnern uns: Claudia Kohde-Kilsch stand zwischen 1983 und 1987 viermal im Doppel-Finale der WTA Finals. Doch Siegemund ist die erste deutsche Doppel-Spielerin in 50 Jahren, die tatsächlich das Match am Turnierschluss gewann. Auch weil die eloquente Schwäbin sich dagegen wehrte, am Sonntag insgesamt zweieinhalb Partien zu spielen. Wetterbedingte Verschiebungen hatten zum Match-Marathon am eigentlich letzten Turniertag geführt. Die Planungen hätten bedeutet, abends mal eben noch das Finale auszutragen. Statt sich fair darauf vorbereiten zu können. Das waren der erfahrenen Spielerin dann doch zu viele Zumutungen: „Da habe ich gesagt: Das mache ich nicht.“ Laura Siegemund aus der Generation der Golden Girls im deutschen Damentennis setzte sich durch. Und gewann.
Nicht „nur“ den Weltmeister-Titel. Auch das Torwand-Schießen gegen den Stuttgarter Stürmer und gefeierten Torschützen Deniz Undav. 1:0 für Siegemund. Der Fußball-Profi schämte sich, Laura spendete ihm Trost. Erschöpft, aber entspannt. In dieser Nacht musste sie nicht mehr weiter, keine 8.000 Kilometer fliegen, wie ein paar Tage zuvor auf ihrem Weg nach Sevilla. Statt mit ihrer Mit-Weltmeisterin zu feiern, sprang die 35-Jährige noch einmal. Diesmal ins Flugzeug, das sie zum Billie-Jean-King-Cup nach Spanien brachte, wo ihre verletzungsgebeutelten Teamkolleginnen schon sehnlichst auf sie warteten.
Schade: Ihren Sieger-Sombrero musste Laura beim „Hopplahopp“-Aufbruch in Mexiko lassen. Dafür bat der Pilot seine frisch mit einem Weltmeistertitel gekürte Passagierin ins Cockpit, wo sie den weiteren Flug plaudernd verbrachte. – „Es war der beste Flug meines Lebens“, bilanzierte die 35-jährige Vielreiserin.
Vielleicht sprachen die zwei auch über Golden Girl Sabine Lisicki? Die Troisdorferin beginnt wieder zu funkeln. Zehn Jahre liegt ihr Wimbledon-Finale zurück. Lange war „Bum-Bum-Bine“ nach einer heftigen Verletzung im Knie nicht mehr recht auf die Beine gekommen. Jetzt aber doch: Ihr erster Turniersieg seit 2014, beim ITF-Event in Calgary, katapultierte die 34-Jährige zurück in die Top 300.
Lisicki strahlte und postete auf dem Social-Media-Kanal X, der früher Twitter hieß: „Der erste Titel seit meiner Knieoperation, die fast genau drei Jahre her ist“. Vielleicht kommt ihre beste Zeit erst noch. Sabine ist glücklich über ihre eigene Beharrlichkeit: „Die Chancen standen schlecht, dass ich jemals wieder Profitennis spielen würde, doch nach 19 Monaten brutaler Reha, Training und Glaube sind wir hier. Wir haben es geschafft. Wir haben in Calgary gewonnen!“
Kerber wieder zurück im Training
Und noch eine Spielerin aus der Ära der Golden Girls im deutschen Tennis ist zurück in den Schlagzeilen und voraussichtlich bald wieder auf Hartplätzen, Gras und Sand zu bewundern: Angelique Kerber ist wenige Monate nach der Geburt von Tochter Liana fest am Trainieren. Drei Grand-Slam-Titel holte die Bremerin, die im Januar 36 Jahre alt wird, zwischen 2016 und 2018. Relativ locker geht es für sie zum Jahreswechsel nach der Babypause los. Angie startet mit dem United Cup in Perth und Sidney ab 29. Dezember, wo sie mit dem deutschen Team antritt. „Wenn wir nach Weihnachten nach Australien fliegen, denke ich, dass ich bereit bin für die ersten Matches“, sagte Kerber im Porsche Newsroom.
Wenn sie ab 14. Januar nach einem Zwischenstopp beim Turnier in Adelaide bei den Australian Open aufschlägt, wird Torben Beltz an Angeliques Seite sein. Der Trainer, der die ehemalige Weltranglistenerste seit ihrer Jugend über lange Strecken begleitete. Der Mann, der sie in Australien zum Sprung ins kalte Wasser veranlasste: „Angie“ musste ihre Wettschuld begleichen, nachdem sie 2016 ihren ersten Grand-Slam-Titel gewonnen hatte. „Mir gibt es viel Sicherheit und eine gewisse innere Ruhe, wenn ich weiß, da sind Menschen an meiner Seite, auf die ich vertrauen kann. Das war mir persönlich sehr wichtig.“ Eine ungewohnte Situation ist es für Kerber, mit einem Baby auf die Tour zu kommen: „Der ganze Tagesablauf muss eben ein bisschen anders geplant werden. Dazu brauche ich das Verständnis und die volle Unterstützung von Menschen, auf die ich jederzeit zählen kann.“
Fans hoffen, dass sie eine Wiederbelebung des Doppels Angelique Kerber/Alexander Zverev, in Erinnerung an den Hopman Cup 2018 und 2019, sehen. Ganz sicher werden die beiden nicht gegen den zurückgetretenen „Maestro“ Roger Federer antreten. Und auch nicht gegen Belinda Bencic. Die Weltranglisten-Vierzehnte aus der Schweiz ist nämlich schwanger und jetzt an der Reihe, in die Babypause zu gehen. „Wir erwarten unser kleines Wunder“, verkündeten die 26-Jährige und ihr Freund und Fitnesscoach Martin Hromkovic. Da auch die ambitionierte Spitzenspielerin aus der Schweiz ziemlich sicher wieder in den Tenniszirkus zurückkehren wird, dürfte sich auch der ehemalige Fußballer von Anfang an fleißig ums Wohlbefinden des gemeinsamen Nachwuchses kümmern. Gegenüber „CH Media“ hatte Bencic schon vor einigen Monaten gesagt, dass sie es „megacool“ finde zu sehen, dass man nach einem Baby gut zurückkommen kann. „Dass es nicht unmöglich ist“. Das gebe ihr mehr Freiheit im Denken.
So frei zu sein, mit Familie das Comeback im harten Tennisbusiness anzugehen. – Ein Trend, der anhält. Caroline Wozniacki und Elina Svitolina kehrten mit Kindern zurück in den Profisport. Auch Naomi Osaka will nach ihrer Babypause bei den Australian Open wieder aufschlagen.
Das erste Jahr mit seinem kleinen Sohn durfte Rafael Nadal „dank“ seiner Hüfte ausführlich und ohne Turnierstress genießen. Ein Jahr nach seinem verletzungsbedingten Rückzug von der Tour könnte der 22-fache Grand-Slam-Sieger wieder zum Schreck der jungen Granden werden. Und zwar beim ersten Großturnier des Jahres, bei den Australian Open in Melbourne. Sein Onkel Toni hält es für möglich. Nadal selbst sagt sokratisch weise, dass er nichts bestätigen könne, was er nicht wisse. „Meine erste realistische Option, wieder auf dem Tennisplatz zu stehen, wäre der Januar in Australien“: Das ist eine Aussage, die den Fans des spanischen Kämpfers Hoffnung gibt.
Aber wird der legendäre Sandplatz-König fit genug sein, um auf Hartplatz aufzuschlagen? Startet er ohne Matchpraxis direkt in eines der vier wichtigsten Turniere des Jahres? Für Nadal selbst ist entscheidend, ob er weiter Schmerzen beim Training hat. So lange sei alles ungewiss. Der 37-Jährige spricht sogar von einer „Tarnsituation“, die er erlebt hat, wenn der Körper nicht wirklich mitspielt.
Sport ohne Spaß könnte letztlich zu Rafael Nadals endgültigem Rücktritt 2024 führen. Oder doch später, wer weiß? Ohne echtes Comeback will er nicht abtreten, ist aus seinen Äußerungen – wie jüngst in Madrid – herauszuhören. Ein Nadal, der sich als Nummer 240plus der Welt, ungesetzt, ab der ersten Runde in Australien oder andernorts gegen alle Spielertypen durchbeißen muss: Das wäre ein Schmankerl für die Fans, für das der Spanier aber richtig fit sein will.
Zumal der 37-Jährige, der nach 20 Jahren erstmals aus den Top 100 gefallen ist, eine Saison lang alle Turniere der Tour noch mal richtig genießen möchte. Das sagte er zumindest bei einer Pressekonferenz seiner Akademie im Frühsommer 2023. Zum Jahresende trainiert „Rafa“ erst 40 Minuten pro Tag unter Schmerzen, die immerhin weniger werden. Kaputtmachen will sich der Mallorquiner nicht. Schluss ist für ihn spätestens dann, wenn der Körper: „Stopp“ sagt. Eine Option für die Zeit danach hat der Sandplatz-König bereits: Präsident von Real Madrid zu werden. Kein schlechter Job, auch wenn Nadal zu seinen Star-Fußballern auf den von ihm wenig geliebten Rasen wechseln müsste.