Die junge Generation in Europa treibt die selben Themen um. Klimaschutz und das Auseinanderdriften der Gesellschaft stehen im Mittelpunkt, sagt der Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks, Tobias Bütow. Im Europawahljahr sind Engagement und Demokratie im Fokus.
Herr Bütow, das Deutsch-Französische Jugendwerk lebt vom Jugendaustausch. Doch die Pandemie und die Corona-Maßnahmen haben ihre Arbeit über zwei Jahre fast unmöglich gemacht, hat sich die Situation wieder normalisiert?
Ja wir haben uns wieder erholt und konnten im letzten Jahr tatsächlich mindestens 150.000 junge Menschen im Rahmen unserer Angebote begrüßen. Die genaue Zahl für 2023 kann ich jetzt noch nicht nennen, da wir erst Ende März mit unserer Gesamtabrechnung fertig sind. Zum Vergleich: Vor der Pandemie, also im Jahr 2019, hatten wir 190.000 Teilnehmer. Also wir sind schon wieder fast so gut wie vor vier Jahren. Dass wir die Zahl von damals im letzten Jahr nicht erreicht haben, hängt vor allem auch mit den Schwierigkeiten beim Schüleraustausch zusammen. Doch auch dort haben wir im letzten Jahr schon gesehen, es normalisiert sich weiter.
Theoretisch hätte das Deutsch-Französische Jugendwerk im letzten Jahr wesentlich mehr Jugendliche unterbringen können, die Nachfrage war da, aber es fehlte an Geld?
Das ist richtig, wir sind im Bereich des Jugendaustauschs ebenso von der Inflation betroffen wir alle Bürgerinnen und Bürger. Unser Budget ist gleichgeblieben, aber zum Beispiel die Unterbringungs- und Reisekosten sind erheblich gestiegen und das hat sich natürlich auf unsere Kapazitäten niedergeschlagen. Aber der Bedarf nach Jugendaustausch ist jetzt nach der Pandemie größer als noch vor der Pandemie. Das hat natürlich auch was mit dem Nachholbedarf der jungen Menschen zu tun. Darum haben wir jetzt als Deutsch-Französisches Jugendwerk beschlossen, in einzelnen Kosten-Bereichen die Pauschalen zu erhöhen, teilweise um 40 Prozent. Das ist auch notwendig, damit der Jugendaustausch alle erreicht, also Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Das geht nicht, wenn die Zuzahlungen zu hoch werden.
Im Klartext, sie brauchen in diesem Jahr mehr Geld?
Natürlich, hohes Budget heißt, viel Jugendaustausch, und damit kann der europäische Gedanke gerade bei jungen Menschen viel besser transportiert werden. Wir Jugendverbände haben gerade auf deutscher Seite zumindest erreicht, dass bei uns nicht gekürzt wird. Das war eigentlich der Plan, und im vergangenen Herbst haben wir mit einer Großdemonstration erreicht, dass im Kinder- und Jugendplan eben nicht 40 Millionen gestrichen werden, das war der ursprüngliche Plan. Aber das heißt auch, dass wir als Deutsch-Französisches Jugendwerk in diesem Jahr nicht mehr Geld bekommen werden. Dazu muss ich aber auch sagen, die Budgetierung unseres länderübergreifenden Jugendwerks ist eine hochkomplexe Angelegenheit.
2024 ist ein hochpolitisches Jahr, Superwahljahr in Deutschland, der Höhepunkt für das Deutsch-Französische Jugendwerk ist natürlich die Europawahl am 9. Juni?
Das ist immer spannend zu beobachten, wie wir als Europäer gerade im Jugendbereich schon zusammengewachsen sind. Französische und deutsche Teilnehmer bewegen die gleichen Themen. Da ist zuallererst die Klimafrage: Wie raus aus den Fossilen? Wie die Erderwärmung stoppen? Dann sind es Zukunftsfragen die bei den Jugendlichen beinahe gleichlautend diskutiert werden. Dann geht es um das offenbar zunehmende Auseinanderdriften der Gesellschaft, Stichwort Rechtsextremismus. Das zeigt, wie sich gerade Frankreich und Deutschland in den letzten Jahrzehnten angenähert haben. Und eine Europawahl gibt uns als Jugendwerk ja immer die Möglichkeit, zu zeigen wie wichtig Engagement und Demokratie sind.

Wobei es beim Jugendaustausch in Deutschland ja immer noch ein massives Ost-Westgefälle gibt?
Für uns als Deutsch-Französisches Jugendwerk trifft das zu. Schon aus rein geografischen Gründen haben wir natürlich mehr Teilnehmer in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinlandpfalz oder Baden-Württemberg. Umgekehrt neigen junge Menschen in Mecklenburg, Brandenburg oder Sachsen eher zum Jugendaustausch mit Polen oder Tschechien als in den westlichen Bundesländern. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich noch viel Luft nach oben. In absoluten Zahlen aller Jugendwerke gibt es tatsächlich ein Ost-West-Gefälle beim Austausch. Unser Traum ist natürlich, dass 2030 jeder Jugendliche an einem Austausch teilgenommen hat, nicht nur mit Frankreich, sondern auch in den anderen europäischen Ländern. Eines hat sich gezeigt: Beinahe alle unsere Teilnehmer in den vergangenen sechs Jahrzehnten haben im Anschluss gesagt, dieser Schüleraustausch oder das Praktikum war für sie lebensprägend.
Nun ist Jugendaustausch nicht nur politisch, gerade das Deutsch-Französische Jugendwerk freut sich in diesem Jahr auf zwei absolute Highlights?
Ja, das sind tatsächlich Sternstunden für unsere Arbeit. Zuerst die Fußball Europameisterschaft in Deutschland. Da werden aus Frankreich viele Volontäre aus Frankreich organisatorisch in Deutschland aushelfen. Dann die Olympiade in Frankreich, da werden dann aus Deutschland Volontäre aus Deutschland mithelfen, das alles zu stemmen. Als diese Angebote ausgeschrieben wurden, waren sie innerhalb von Stunden weg, so einen Ansturm habe ich in meiner Amtszeit als Generalsekretär noch nicht erlebt. Sport ist immer grenzübergreifend, wobei, es gibt keine Grenzen mehr in Europa, aber Sie wissen, was ich meine. Doch Sport ist immer ein verbindendes Element. Und ich habe es selber erlebt, wenn dann junge französische Teilnehmer bei Sport-Events bei uns begeistert die deutschen Sportler anfeuern und umgekehrt genauso. Darum freue ich mich ganz besonders auf dieses deutsch-französische Sportjahr, darum unterstützen wir auch noch das feutsch-französische Olympisches Jugendlager, wo dann alle zusammen feiern werden.
Ihr größter Wunsch als Generalsekretär für dieses Jahr?
Wir wollen es schaffen, wirklich für jeden jungen Menschen ein Angebot machen zu können. Das Finanzielle haben wir ja schon angesprochen, aber es geht auch darum, dass wir 20 Prozent der Teilnehmer aus dem Kreis der Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf, entschuldigen Sie, aber so heißen die Teilnehmer im Verwaltungsdeutsch, dass wir Menschen zum Beispiel mit Mobilitätseinschränkungen ein Angebot machen können …
… und dann haben Sie ja auch ein Klimaziel für sich als Jugendwerk definiert …
Da geht es auch um Mobilität. Zum 60. Jahrestag des Élysée-Vertrages wurde ja wieder die schnelle Nachtzugverbindung zwischen Berlin und Paris eingerichtet. Ende dieses Jahres soll es dann dreimal am Tag auch eine Schnellzugverbindung tagsüber zwischen der französischen und der deutschen Hauptstadt unter acht Stunden geben. Damit können wir als Jugendwerk eines unserer Klimavorhaben endgültig umsetzen. Alle Anreisen, die mit dem klimafreundlichen Zug unter acht Stunden erreicht werden können, werden nicht mehr mit dem Flugzeug stattfinden. Fliegen, das wissen alle, ist für die Umwelt nicht gut, darum setzen wir auf die gute alte Eisenbahn und in acht Stunden von Paris nach Berlin, das ist dann schon eine klare Klima-Ansage.