Durch die Doppel-Absage gerät der Spielplan des 1. FC Saarbrücken durcheinander. Für Fans zählt nur noch der Pokal. Trainer-Manager Rüdiger Ziehl hat alle Hände voll zu tun.
In turbulenten Zeiten haben traditionell Menschen mit Halbwissen Hochkonjunktur. Das Viertelfinale um den DFB-Pokal am vergangenen Mittwoch gegen Borussia Mönchengladbach war kaum abgesagt, da meldeten sich semiprofessionelle Internetportale zu Wort, die das Horrorszenario an die Wand malten, der Drittligist müsste die restlichen Saison-Heimspiele in seinem Ausweichstadion am Bornheimer Hang in Frankfurt austragen. Dorthin mussten die Blau-Schwarzen während der Corona-Saison 2020/2021 in der Tat einmal ausweichen. Die Meldung einer Ausweichstätte war damals Pflicht, weil sich der Ludwigspark noch in der Bauphase befand. Seitdem dieser für die 3. Liga „abgenommen“ wurde, ist die Meldung eines Ausweichstadions nicht mehr nötig.
Keine Ausweichstätte gemeldet
Ob der Deutsche Fußball-Bund die Erneuerung der desolaten Rasenfläche im Saarbrücker Stadion im anstehenden Lizenzierungsverfahren zur Auflage machen wird, steht noch in den Sternen. Dass der FCS diesmal eine Ersatzspielstätte benennen muss, ist aber denkbar. Dass die Funktionäre in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise das Vertrauen in die Verantwortlichen der Stadt Saarbrücken verloren haben, ist dagegen offenkundig. Das Heimspiel gegen die Spielvereinigung Unterhaching wurde bereits am vergangenen Donnerstag abgesagt. Dabei hielten sich die angekündigten Regenmengen für die Folgetage in Grenzen. Am Wochenende regnete es in der saarländischen Hauptstadt kaum noch. Dass das ausgefallene Viertelfinale gegen den Bundesligisten vom Niederrhein erst am 12. März wiederholt werden soll, ist ebenfalls ein Zeichen, dass der DFB sprichwörtlich auf „besser Wetter“ hofft.
Der Imageschaden für Stadt und Verein ist groß, auch wenn letzterer nichts dafür kann. Ihm läuft allerdings die Zeit weg. Inklusive Pokal hat der FCS nun bereits drei Nachholspiele, freie Termine gibt es im engen Liga-Alltag kaum noch. Zudem ist der Absage-Reigen ein teurer Spaß. Rund 80.000 Euro sollen die Kosten für Verwaltungsausgaben sein, zitierte die „Bild“-Zeitung am Wochenende einen Vereinssprecher. Geschäftsführer Christian Seiffert hatte zuvor gegenüber dem Saarländischen Rundfunk angekündigt, in den Gesprächen mit der Stadt eine Mietminderung zum Thema zu machen.
Die Verwaltung schaltete in der vergangenen Woche auf Schadensbegrenzungs-Modus. Oberbürgermeister Uwe Conrad entschuldigte sich bei den Mannschaften, den Fans und Fußball-Deutschland. Drei Millionen TV-Zuschauer waren bass erstaunt, dass der Rasen im Ludwigspark nach nur einem Regentag sprichwörtlich unter Wasser stand.
Mehr als viereinhalb Jahre musste der FCS ins Exil nach Völklingen umziehen. In all den Regionalliga-Jahren, in denen übrigens keine Rasenheizung verpflichtend war, sind weniger Spiele ausgefallen, als seit der Rückkehr nach Saarbrücken. Der völlig verkorkste Rasen ist nur die Krönung eines vollkommen verpfuschten Baus. „Wer trägt eigentlich die Verantwortung?“, fragte Helmut Isringhaus, Fraktionschef der Saarbrücker FDP in der vergangenen Woche. „Nur keine Schuldzuweisungen“, kam es aus dem Rathaus zurück. Das Sündenregister der Baufehler ist lang und fast alle früheren Verantwortlichen sind entweder im Ruhestand oder nicht mehr in den jeweiligen Ämtern. Es laufen mehrere Prozesse. Ausgang offen.
Mögliches Derby gegen Lautern
Und in allem Chaos müht sich FCS-Trainer-Manager Rüdiger Ziehl, die Laune hochzuhalten. Das fällt schwer, ist die sportliche Situation doch bescheiden. Durch das spielfreie Wochenende ist der FCS der hinteren Tabellensituation gefährlich nahe gerückt. „Wir sind gut beraten, uns auf die Liga zu konzentrieren“, sagte Ziehl: „Es ist vermessen, dass wir derzeit nach Platz drei schielen. Wir müssen erst einmal ein paar Spiele gewinnen und schauen, dass wir uns auf einem einstelligen Tabellenplatz festsetzen.“ Fünf Ligaspiele stehen für den FCS vor dem Pokal-Viertelfinale gegen Gladbach an. „Wenn wir davon nicht einige gewinnen, haben wir ein großes Problem“, sagt Ziehl. Dass die weitere Auslosung ergeben hat, dass der Viertelfinalsieger in der Vorschlussrunde auf den 1. FC Kaiserslautern trifft, hat die Aufregung im Fan-Lager noch größer werden lassen. „Der Sieg gegen Gladbach ist nur noch eine Frage der Höhe und dann hauen wir Lautern weg. Das sind die Erwartungen, aber die sind total unrealistisch. Das Gute ist, dass die Mannschaft diese Situation einschätzen kann“, sagt Ziehl, merkt aber an, dass die Turbulenzen der vergangenen Tage nicht spurlos am Team vorübergegangen sind. „Ein Viertelfinale gegen einen Bundesligisten erlebt man nicht alle Tage. Die Mannschaft war schon sehr enttäuscht, teilweise auch wütend. Aber wir haben das Beste aus der Situation gemacht und weiter trainiert. Der Fokus ist auf jeden Fall da.“
Vielleicht ist es ganz gut, dass am Sonntag in Mannheim ein echtes Derby ansteht. Die Kurpfälzer stehen auf einem Abstiegsplatz und sind gegen den FCS zum Siegen verdammt. „Wir haben die Qualität, um da zu gewinnen. Ich glaube, es ist keine große Erkenntnis, wenn man feststellt, dass Mannheim ganz extrem den eigenen Erwartungen hinterherläuft. Daher haben sie auch den Trainer gewechselt und im Winter sehr viel Geld ausgegeben. Es ist weiterhin alles recht zäh, aber der Kader hat eine gute Qualität.“
Wie der Kader beim FCS in Mannheim aussehen wird, war am Wochenende noch offen. Verwirrung gibt es um eine mögliche Gelbsperre für Luca Kerber. Laut mehrerer Statistiken hat der 21-Jährige beim 1:1 in Dortmund die fünfte Gelbe gesehen. Das offizielle DFB-Portal weist ihn aber mit vier Verwarnungen aus. „Im Nachgang zum Spiel in Bielefeld wurde ihm eine Gelbe Karte fälschlicherweise zugeordnet“, sagte Ziehl, kündigte aber an. „Wir werden das zur Sicherheit noch einmal überprüfen lassen.“