Eine Seniorin will sich von ihrer Stadt verabschieden. Der Kinofilm „Im Taxi mit Madeleine“ (Kinostart: 13. April) ist melancholisch und gewährt Blicke auf ein langes Leben voller schöner und weniger schöner Ereignisse.
Wenn ein Film sich auf das Innere eines Autos als Mittelpunkt der Handlung konzentriert, übt dieses Konzept auf die Macher ebenso wie auf die Zuschauer einen großen Reiz aus. Nur wenige Quadratmeter, dazu zwei fremde Menschen – das hat schon bei „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ ebenso wie bei „Green Book“ (2018) zu großartigen Kinoerlebnissen geführt. Und auch „Im Taxi mit Madeleine“ wird das Publikum faszinieren. Die Schauspieler sind grandios, die Geschichte amüsant wie tragisch zugleich.
Berührendes filmisches Kleinod
Die 92-jährige Madeleine ruft ein Taxi. Die Fahrt soll in ein Altenheim ans andere Ende von Paris führen, weil sich die alte Dame in ihrer Wohnung nicht mehr allein versorgen kann. Madeleine hat aber einen Wunsch: Fahrer Charles soll an den Orten vorbeifahren, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben. Für die Seniorin wird diese Taxifahrt zu einer bittersüßen Reise in ihre lange Vergangenheit. Madeleine erinnert sich an schöne und weniger schöne Erfahrungen, von denen sie Charles berichtet. Der Fahrer ist berührt und erschüttert von dem, was er erfährt, und er beginnt noch während der Fahrt, sein eigenes Leben zu hinterfragen und neu zu ordnen.
„Im Taxi mit Madeleine“ ist ein filmisches Kleinod – vor allem, weil die beiden Stars so gut vor der Kamera harmonieren. Die 94-jährige Filmikone Line Renaud und der als Komiker auch in Deutschland bekannte Dany Boon (56) bilden ein gut aufeinander abgestimmtes Duo, das schon in den Erfolgen „Willkommen bei den Sch’tis“ (2006) und „Die Sch’tis in Paris“ (2018) gemeinsam als Mutter und Sohn vor den Kameras standen. In „Im Taxi mit Madeleine“ hingegen sind sie sich erst einmal gar nicht sympathisch und schauen einander kaum an. Die Blicke treffen sich nur kurz im Rückspiegel. Als die Fahrt beginnt, sind Chauffeur wie Fahrgast noch übellaunig: Madeleine, weil sie auf das Taxi warten musste und ihr Haus in Richtung Seniorenheim ohnehin gar nicht verlassen möchte und Charles, weil sein Leben ihm aus den Händen zu gleiten beginnt. Kaum anzunehmen, dass die in ihrer Vergangenheit schwelgende Dame und der um seine Zukunft fürchtende Fahrer noch ziemlich beste Freunde werden.
Eine emotionale Verbindung beginnt, als Madeleine sich während der Fahrt an immer mehr Orte erinnert, die eine Bedeutung für ihr Leben haben und die sie noch einmal sehen möchte. Und weil die Sonne so schön in Paris scheint, lädt sie kurzerhand ihren fremden Chauffeur zu einer Pause auf einer Parkbank in ihrem alten Viertel ein. Wie schon zuvor aus dem fahrenden Taxi heraus zeigt der Film die Stadt nicht immer wie eine touristische Postkarten-Idylle. Die Stadt hat auch schroffe Seiten und ist oft anstrengend – aber durch Madeleines Erzählungen werden selbst diese Perspektiven märchenhaft. Und wenn Madeleine von ihren vergangenen Jahrzehnten erzählt, öffnen Rückblenden die Handlung immer weiter und zeigen eine Frau, die einst schwer gearbeitet, Schläge ertragen, Freundschaften geschlossen und Menschen verloren hat – aber noch immer eine positive Einstellung zu ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Leben bewahrt. Das ist sehr nostalgisch – aber nie kitschig, selbst dann nicht, wenn Madeleine an ihre erste Liebe denkt und mit verklärtem Blick sagt, sie spüre auch 76 Jahre später noch die Küsse dieses Mannes auf ihren Lippen. Da gerät der wortkarge Muffelkopf Charles ins Grübeln und erzählt ihr seinerseits von seinen Wünschen und Nöten.
Optimistischer Blick auf das Leben
„Im Taxi mit Madeleine“ ist ein weises wie beschwingtes Drama über die großen und kleinen Geheimnisse des Lebens. Der Film zeigt trotz tragischer Elemente einen optimistischen Blick auf das Leben und betont, wie wichtig es ist, anderen Menschen zuzuhören und angesichts eigener Schwierigkeiten niemals aufzugeben. „Jeder Wutanfall macht uns älter, aber jedes Lächeln etwas jünger“, sagt Madeleine zu Charles, als sich ihre Fahrt dem Ende neigt. Und bevor der Wagen vor dem Seniorenheim hält, treffen sich im Rückspiegel noch einmal ihre Blicke, die nun voller Zuneigung und Zuversicht sind.