Vor einem Jahr ging Tesla in Grünheide an den Start. Obgleich von der Politik noch immer hoch gelobt, reißt die Kritik der Umweltaktivisten an dem Automobilkonzern nicht ab.
Die Gigafabrik brummt. Die Produktion des US-Elektroautobauers im brandenburgischen Grünheide wird weiter ausgeweitet. Mittlerweile ist bei Tesla eine dritte Schicht im Einsatz. Rund 10.000 Beschäftigte arbeiten derzeit in Grünheide. 5.000 Fahrzeuge in der Woche produziert das Brandenburger Werk zurzeit. Auf das Jahr hochgerechnet sind das circa 250.000 E-Autos. Damit hat Tesla eigenen Angaben zufolge sein Zwischenziel erreicht, hieß es. In der ersten Ausbaustufe will der Autobauer dann 500.000 Autos im Jahr vom Band rollen lassen.
Expansionshunger in Brandenburg
Hochproduktiv ist das Unternehmen auch in anderen Ländern. Um die eigene Automobilproduktion zu steigern, begann das amerikanische Unternehmen mit dem Bau mehrerer großer Fabriken, den sogenannten Gigafactorys. Dabei zählt die Volksrepublik China außer den USA zu einem der wichtigsten Absatzmärkte für den Elektroautobauer. Die chinesische Gigafactory in Shanghai als einst erste Fabrik von Tesla im Ausland machte 2022 über die Hälfte der weltweiten Fahrzeugproduktion des Unternehmens aus. Der Umsatz lag bei gut 18 Milliarden Dollar. Das ist mehr als ein Fünftel des Gesamtumsatzes von Tesla. Mittlerweile ist eine weitere Fabrik in Shanghai geplant. Außerdem soll Tesla einem Insider zufolge erstmals in China hergestellte Autos nach Kanada exportieren. In Shanghai habe das Unternehmen Anfang des Monats mit der Produktion seines Models Y zur Ausfuhr nach Kanada begonnen, heißt es in einem Beitrag des Nachrichtenmagazins „Reuters“.
Noch im Herbst 2019, als bekannt wurde, dass Tesla einen Standort in Grünheide eröffnen werde, sprach der Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) von einem „Lottogewinn“ für die Gemeinde. Der Elektroautobauer sollte als Jobmaschine in der strukturschwachen Gegend fungieren. Auch beim Produktionsstart im März vor einem Jahr gab es viel Lob seitens der Politik. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem „besonderen Tag für die Mobilitätswende in Deutschland“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte, dass durch die Ansiedlung der Gigafactory der Osten fortan „industriell vorne mit dabei“ sei.
Der Expansionshunger des Automobilunternehmens unter Federführung des Multimilliardärs Elon Musk hat auch Schattenseiten. Ein Jahr nach dem Produktionsstart ziehen Bürgerinitiativen und Umweltweltaktivisten eine verheerende Bilanz. „Tesla klaut Wasser und verstößt gegen sämtliche Umweltauflagen“, beklagten Aktivisten vor Kurzem vor einem Tesla-Showroom am Potsdamer Platz in Berlin. „Kein Liter Wasser mehr für Tesla“, so ihre Forderung. Kritische Bilanz ziehen auch Umweltschützer des Naturschutzbund Nabu Brandenburg gemeinsam mit der Grünen Liga und der Grünheider Bürgerinitiative in einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Tesla hat enorm viele Versprechen gemacht und sie alle nicht eingehalten“, kritisiert Nabu-Landesgeschäftsführerin Christiane Schröder. Das Unternehmen hatte angekündigt, für ausreichende Sicherheitsmaßnahmen auf dem Fabrikgelände zu sorgen. Tesla betreibe „im großen Stil Frevel an der Natur.“ Die geplante Werkerweiterung müsse dringend verhindert werden.
Einen „Zeitstrahl des Grauens“ stellte Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide vor. Seit der Inbetriebnahme des Autobauers häufen sich die Vorfälle. So etwa gab es im September vergangenen Jahres einen Großbrand in einer nicht genehmigten Recycling-Anlage. Immer wieder würden flüssiges Aluminium und giftige Chemikalien austreten, die teilweise ungeschützt auf den unversiegelten Teil des Betriebsgeländes versickern und dadurch eine Gefahr für das Grundwasser darstellen könnten. Manu Hoyer kritisiert vor allem, dass das brandenburgische Landesumweltamt unter Axel Vogel (Grüne), Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, kaum seiner Kontrollpflicht nachkomme. Obwohl das E-Automobilwerk in einem Wasserschutzgebiet steht, hat das Umweltlandesamt dem Unternehmen selbst die Überwachung des Grundwassers übertragen. André Bähler, Chef des zuständigen Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) hält das für einen „handfesten Skandal“, sagt er gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Stern“. Die zukünftige Trinkwasserversorgung für Abertausende Brandenburger und Berliner werde leichtfertig gefährdet, kritisiert Verbandschef Bähler. Dabei sah die Betriebsgenehmigung der Tesla-Fabrik ursprünglich vor, dass das Wasserversorgungsunternehmen „in alle grundwasserrelevanten Fragestellungen einzubeziehen“ sei. Doch diese Klausel habe das Brandenburger Landesamt für Umwelt dem „Stern“ zufolge ersatzlos gestrichen – auf ausdrücklichen Wunsch des Elektroautobauers. Seitdem ist der US-Konzern ganz allein dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass das Grundwasser nicht verunreinigt ist. In anderen Worten: Wenn Tesla das Wasser verseucht, dann bekommt es niemand mit – außer der US-Konzern macht selbst eine Meldung dazu.
Bevölkerung wird nicht miteinbezogen
Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide kritisiert auch die Einseitigkeit der Landespolitik. Wenn man die Reden des Brandenburger Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers verfolge, könne man es darauf herunterbrechen, dass Brandenburg für die Industrie „plattgemacht“ werde. „Auf Teufel komm raus wird jetzt alles im sogenannten Tesla-Tempo stattfinden.“ Die Bevölkerung störe nur. „Sie wird nicht mehr miteinbezogen.“
Für Unmut bei der Bürgerinitiative hat vor wenigen Tagen auch die Tatsache geführt, dass der Tesla-Mitarbeiter Sascha Gehm (CDU) bei der Landratswahl im Landkreis Oder-Spree am 23. April kandidiert hat. „Über die enge Verknüpfung von Politik und Wirtschaft sind unsere Mitglieder entsetzt“, sagte Manu Hoyer. Doch der umstrittene Kandidat kam nur auf den dritten Platz. Stattdessen machte Rainer Galla von der AfD mit 24,8 Prozent den ersten Platz, dicht gefolgt von Frank Steffen (SPD) mit 22,5 Prozent. Am 14. Mai soll eine Stichwahl entscheiden, wer der neue Landrat werden wird.
Doch die Auseinandersetzungen um die Tesla-Niederlassung werden wohl noch länger andauern.