2023 hat Berlin bereits mit drei großen Sicherheits-Debatten bundesweit Schlagzeilen gemacht. Zu Jahresbeginn ging es um die Silvesterkrawalle, und seit dem Sommer stehen Gewalttätigkeiten in Freibädern und in einem Park im Fokus.
Der Görlitzer Park ist ein Geheimtipp. Weniger bei Anwohnern als bei Drogenkonsumenten. Denn dass in der Kreuzberger Grünanlage Rauschmittel aller Art angeboten werden, ist seit Langem ein offenes Geheimnis. Nach den Dealern muss man nicht lange suchen. Seit Jahrzehnten das gleiche Bild: Rund um die Uhr sitzen auf jeder zweiten Parkbank, stehen an fast jeder Weggabelung hauptsächlich Männer aus verschiedenen afrikanischen Ländern, die scheinbar nichts zu tun haben. Obwohl alle Bescheid wissen, ist den Drogenhändlern nur schlecht etwas nachzuweisen. Ihre „Ware“ ist irgendwo im Unterholz versteckt und wechselt blitzschnell den Besitzer, wenn gerade niemand guckt.
Obwohl der Görlitzer Park für den offensiven Drogenhandel bekannt ist – einige Reiseführer weisen sogar eigens darauf hin –, sind alle hilflos. Die Anwohner sind genervt, Polizei und Politiker ratlos. Tausende Artikel wurden bereits über das Drogenproblem geschrieben, Generationen von Politikern haben sich an der Problematik im „Görli“ die Zähne ausgebissen. Der Park ist beliebt, mit Kinderbauernhof, Skaterbahn und großen Liegewiesen, auf denen an schönen Sommerabenden viele friedliebende Menschen zum Trommeln zusammenkommen. Aber jetzt gibt es zunehmend ein Gewaltproblem: Raubüberfälle und Vergewaltigungen. Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni in der Grünanlage. Ende Juni wurde eine Frau im Görlitzer Park in Berlin von mehreren Männern vergewaltigt. Ihr Freund musste dabei zusehen. Seitdem gab es zwei Festnahmen. Bei den Verdächtigen soll es sich um Dealer handeln.
Drogen und Gewalt im Görlitzer Park
Die Luft wird rauer in der Hauptstadt. Klar ist, dass in Berlin – der mit Abstand größten deutschen Stadt mit fast vier Millionen Einwohnern – in absoluten Zahlen weitaus mehr Verbrechen verübt werden als etwa in Hamburg oder Hildesheim. In der vergleichenden Kriminalitätsstatistik der deutschen Großstädte nach Einwohnerzahl liegt Berlin jedoch kurz hinter Frankfurt am Main auf dem zweiten Platz mit 14.135 registrierten Straftaten je 100.000 Einwohner. Den Gegensatz dazu bildet München als sicherste Großstadt mit nur rund 5.800 Taten pro 100.000 Einwohner.
Frauen sind im vergangenen Jahr nachts auf Berliner Straßen häufiger angegriffen worden als im Jahr davor. Nach Angaben der Polizei vom Freitag sind 2022 insgesamt 4.210 Frauen Opfer von Körperverletzungen, Drohungen, Nötigung, Sexualdelikten oder Raubüberfällen geworden. Die Häufigkeit der nächtlichen Attacken gegen Frauen stieg in den vergangenen Jahren: 2019 wurden 3.096 Frauen als Opfer solcher Taten erfasst, 2020 waren es 3.544 und 2021 3.826. Das antworteten Senat und Polizei auf eine Anfrage der AfD.
Hinsichtlich der Lösungsmöglichkeiten bleiben die politischen Lager zerstritten. Die schwarz-rote Koalition in Berlin überlegt, einen Zaun um den Görlitzer Park zu bauen und die Grünanlage nachts abzuschließen. „Es ist ein interessanter Ansatz, den Görlitzer Park zu umzäunen und nachts abzuschließen“, bekräftigt auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Dunkle Ecken müssten baulich offener gestaltet und besser beleuchtet werden.
Um mehr Sicherheit in Parks und auf öffentlichen Plätzen soll es auch bei dem künftigen Sicherheitsgipfel gehen, zu dem der Regierende Bürgermeister für September eingeladen hat. Unter Mitwirkung der Berliner Polizei, der Feuerwehr und des Verfassungsschutzes soll diskutiert werden, wie eine Stärkung der Sicherheitsbehörden und eine Verbesserung der Sicherheitslage in Berlin gelingen könnte. Im Anschluss soll ein Maßnahmenpaket verabschiedet werden.
Grüne und Linke fordern ein toleranteres und nachhaltigeres Vorgehen. Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) fordert laut „Tagesspiegel“ die Bezirke auf, sich daran zu beteiligen: „Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass mit dem Bezirk gesprochen wird, denn es braucht eine berlinweite Strategie, die alle Akteur:innen mit einbezieht. Ein Gipfel ist sinnvoll, wenn er ernsthaft und nachhaltig die vielschichtigen Herausforderungen im öffentlichen Raum thematisiert, anstatt polemische Scheindebatten zu führen.“
Seit dem Sommer steht Gewalt in Berlins Freibädern im Fokus der Berichterstattung. Die häufigsten Gründe für Konflikte waren Auseinandersetzungen zwischen Besuchern, Streitereien an Rutschen und Sprungtürmen sowie sexuelle Belästigungen. Zudem kommt es öfter vor, dass Badegäste ohne Eintrittskarten ins Freibad gelangen und dann mit Sicherheitskräften in Streit geraten. Nun forderte sogar die Grünen-Fraktion im Juli ein Hausverbot für Gewalttäter. „Generell braucht es aber ein kluges Sicherheitskonzept, das Prävention und Ansprechbarkeit von Sicherheitspersonal in den Vordergrund stellt“, mahnt der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Vasili Franco.
„Schwimmbäder sind soziale Orte“
Wenn Tausende Menschen im Berliner Sommer in den Schwimmbädern zusammentreffen, bleibe es fast überwiegend ruhig und friedlich. „Wenn einige Hitzköpfe jedoch immer wieder bewusst über die Stränge schlagen, ist das nicht hinnehmbar und vor allem für die Beschäftigten in den Bädern ein Risiko.“ Deshalb sollte bei gewalttätigen Mehrfachtätern ein berlinweites Hausverbot für die Berliner Bäder ausgesprochen werden, so der Grünen-Abgeordnete.
Seine Kollegin Klara Schedlich differenziert: „Schwimmbäder sind soziale Orte, an denen sich alle wohlfühlen sollen. Vor allem Familien sollen einen entspannten Aufenthalt haben. Wenn Bäder nun geschlossen werden, bedeutet das, dass es weniger Räume gibt, wo Menschen sich bei der Hitze abkühlen können. Insbesondere auch für Jugendliche fällt dann eine kostengünstige Freizeitbeschäftigung in den Sommermonaten weg.“ Das sollte nicht zur Regel werden. Gerade für von Armut betroffene Familien brauche es „mehr und nicht weniger gute Angebote“. „Um das Problem langfristig zu lösen, muss vor allem in Gewaltprävention investiert werden.“
In der ersten Hälfte der diesjährigen Sommersaison hat die Polizei 48 Gewaltdelikte gezählt. Darunter fielen von Mai bis Mitte Juli vor allem Körperverletzungen, aber auch sexuelle Belästigungen, Bedrohungen, Nötigungen und Raub. Die Taten verteilten sich auf viele verschiedene Bäder wie das Columbiabad in Neukölln, das Prinzenbad in Kreuzberg, das Sommerbad in Pankow, das Freibad Seestraße in Wedding, das Strandbad Plötzensee oder das Olympiabad.
29 Männer und männliche Jugendliche und sechs Frauen wurden als mutmaßliche Täterinnen und Täter erfasst. 82 schriftliche Hausverbote wurden dem Senat zufolge erteilt. 1,5 Millionen Euro werden dieses Jahr für die Sicherheit in den Bädern ausgegeben. Mittlerweile müssen Badegäste nicht nur Schwimmzeug und eine Eintrittskarte dabei haben, sondern auch ihren Ausweis vorzeigen. Die Ein- und Ausgänge der Sommerbäder Neukölln am Columbiadamm, Am Insulaner in Steglitz, Pankow und Kreuzberg werden durch Videokameras überwacht. Eine Arbeitsgruppe für Sicherheit in den Freibädern wurde gegründet. Darunter sind Vertreter des Senats, der Berliner Bäder-Betriebe und Organisationen der Jugendsozialarbeit.
„Ich habe ein Freibad im Wedding besucht. Dort wurde beim Einlass der Ausweis kontrolliert“, berichtet der Linken-Politiker Fabio de Masi auf Twitter. Aber im Kern sei einfach nur kontrolliert worden, ob man einen Ausweis mitführe. In seinem Fall wurde „nicht mal“ auf das Foto oder den Namen geblickt. Das wirke wie wenig durchdachter Aktionismus.