Berlins neuer Finanzsenator Stefan Evers (CDU) spricht über seine Verwaltungsreformen, Investitionen im Energiesektor und wie der schwarz-rote Senat die eklatante Wohnungsnot in den Griff kriegen will.
Herr Evers, Sie waren bis vor kurzem Unternehmensberater und CDU-Generalsekretär. Wie schwer fällt Ihnen der Rollenwechsel zum Finanzsenator?
Ich bin zwar kein in der Wolle gefärbter Finanzpolitiker, auch nicht der geborene Verwaltungsmensch. Genau das kann aber sehr hilfreich sein, wenn man das eine oder andere infrage stellen und neue Wege einschlagen will. Natürlich bringe ich auch eine Menge politischer Erfahrung mit ins Amt, seit Jahrzehnten wirke ich insbesondere in der Stadtentwicklungspolitik. Ich gestalte gern. Da kommt es mir sehr entgegen, dass die Finanzverwaltung ein mächtiges Gestaltungsressort mit einem breiten Themenspektrum ist.
Die CDU war in Berlin fast 22 Jahre nicht an der Regierung. Ziehen mit Ihren christdemokratischen Kollegen und Ihnen neue Werte ein in das Rote Rathaus?
Es findet ein Kulturwandel statt. Ganz wichtig dabei ist mir der Umgang miteinander, die gegenseitige Wertschätzung. Eine Regierung im Dauerstreit kann nie erfolgreich sein. Das zeigen die vergangenen Jahre in Berlin, aber auch das Beispiel der Ampel-Regierung im Bund. Wir wollen in der Koalition einander den Raum geben, mit unseren unterschiedlichen Prioritäten und Themen sichtbar zu werden. Uns ist wichtig, dass Berlin funktioniert und auch in Zukunft handlungsfähig bleibt. Die Modernisierung der Berliner Verwaltung muss zwingend vorankommen. Auch sonst fehlt es nicht an großen Themen: Klimaschutz, Energiewende und Wohnen – jedes für sich ist eine Mammutaufgabe.
Wo würden Sie denn da die Prioritäten setzen?
Meine wichtigste Aufgabe sehe ich in der Verwaltungsmodernisierung. Jede Landesregierung, die nach uns die Arbeit aufnimmt, wird bei diesem Thema zu spät dran sein. Und natürlich wollen wir alles daransetzen, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Bezahlbares Wohnen kostet viel Geld. Als Finanzsenator müssen Sie doch eher schauen, die Finanzen zusammenzuhalten.
Geld ist nur ein Teil des Problems. Entbürokratisierung, Beschleunigung von Verfahren, mehr Anreize für den Wohnungsbau – vor allem darum muss es gehen. Wir werden, anders als es vorher üblich war, eine Willkommenskultur für private Partner pflegen. Auch das wird uns helfen, dieses Ziel zu erreichen. Und ja, es muss gute finanzielle Rahmenbedingungen bei der Wohnungsbauförderung geben. Es sind viele Stellschrauben, die im Zusammenspiel dazu beitragen, dass wir hier weiterkommen.
Die Wohnungsproblematik ist essenziell für viele Berlinerinnen und Berliner. Manche sind sogar verdeckt obdachlos, ziehen von einem Untermietsverhältnis zum nächsten. Auf der anderen Seite gibt es Ältere, die bereit wären, von einer Drei-Zimmer-Wohnung in eine Einzimmerwohnung zu ziehen. Aber sie tun es nicht, weil eine kleinere Wohnung genauso teuer oder sogar teurer ist. Wie kann man dieses Problem in den Griff bekommen?
Unsere landeseigenen Unternehmen in Berlin haben eine Tauschbörse eingerichtet. Die Nachfrage allerdings ist mehr als bescheiden – viel geringer, als wir dachten. Es gilt wohl das Sprichwort: „Ein alter Baum verpflanzt sich schlecht.“ Die hohen Mieten beim Wohnungswechsel sind einfach ein Riesenproblem, das über die Jahre gewachsen ist. Das Wohnungsangebot hat einfach nicht Schritt gehalten mit dem Bevölkerungswachstum. Gut gemeinte, aber schlecht gemachte Instrumente wie der Mietendeckel oder die Enteignungsdrohungen haben das Problem immer weiter verschärft.
Inwiefern ist das eine Problemverschärfung?
Weil immer weniger Geld in die Hand genommen wurde, um in dieser Stadt Wohnungen zu bauen. Wir werden das Thema also nur voranbringen, wenn wir solche Drohkulissen aus der Welt schaffen und eine partnerschaftliche Kultur im Umgang mit der Wohnungswirtschaft forcieren. Aber auch Rahmenbedingungen wie Baukosten, Fachkräftemangel und Zinsentwicklung sind große Bremsen. Trotzdem werden wir alles daran setzen, um voranzukommen.
Wie wollen Sie die Verwaltungsreform umsetzen?
Wichtig ist, dass man sich nicht im Parteienstreit verliert. Unser Ziel ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bezirken und Senat. Wir brauchen überparteiliche Einigkeit, um die bestehenden Strukturen zu überwinden. Und es braucht natürlich Prozessoptimierung, Nutzung von neuen Technologien und Digitalisierung, um die Verwaltung zukunftsfit zu machen. All das werden wir in der Kürze der Zeit so gut wie möglich vorantreiben.
Warum ist der Zeitfaktor hier ein Thema?
Bei der Verwaltungsreform liegt auf dem Tisch, wie viele Kolleginnen und Kollegen uns in den nächsten Jahren verlassen werden. Die demografische Entwicklung setzt uns unter erheblichen Druck. Gleichzeitig sehen wir, dass Verfahren zum Onboarding neuer Kolleginnen und Kollegen, von der Stellenausschreibung bis zur Qualifizierung, zu lange brauchen. Hier müssen wir jetzt die Weichen stellen, Ballast der Vergangenheit überwinden und einen Modernisierungsschub einleiten. Wir müssen auch 2030 als Verwaltung handlungsfähig sein und deshalb heute Lösungen parat haben für die Konkurrenz am Arbeitsmarkt, die Veränderungen der Digitalisierung und die Erwartungen nachwachsender Generationen an einen attraktiven Arbeitgeber Verwaltung.
Sie sprachen eingangs auch Klimaschutz und Energiewende an …
Klimaschutz ist der Schwerpunkt unserer Investitionsvorhaben. Es geht um die Transformation dieser Stadt und ihrer Energieversorgung. Wir haben in den letzten Monaten ja auch erlebt, wie groß Berlins Abhängigkeit von russischer Energie ist. Wenn wir jetzt nicht investieren und diese Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen durchbrechen, wann dann? Zu jedem späteren Zeitpunkt wird es teurer.
Sie haben viele Ehrenämter und sind auch noch Abgeordneter für Altglienicke und Adlershof. Wie kriegen Sie das mit Ihrer neuen Rolle als Finanzsenator alles unter einen Hut?
Ich gehe später ins Bett und stehe früher auf. Das hilft (lacht).
Das können Sie auf Dauer aber nicht durchhalten, oder?
Natürlich trage ich die politische Verantwortung, aber die Finanzverwaltung wird von sehr vielen fantastischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen. Außerdem habe ich zwei Staatssekretäre, die mich unterstützen. Auf keinen Fall will ich aber die Perspektive verlieren, die ich durch die Arbeit vor Ort im Wahlkreis habe. Ich mag es nicht, nur im Elfenbeinturm zu sitzen.
Was hoffen Sie am Ende der Legislatur erreicht zu haben?
Die Finanzverwaltung muss Motor der Verwaltungsreform sein. Wenn ich nach meiner Amtszeit sicher bin, dass die Berliner Verwaltung fit ist für die Zukunft, dann habe ich mein wichtigstes Ziel erreicht.