Nach der Zitterpartie um die neue Koalition stehen nun die neuen Berliner Senatorinnen und Senatoren von Schwarz-Rot in den Startlöchern. Unter den Amtsinhabern im Roten Rathaus befinden sich mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer.
Vielleicht kehrt jetzt endlich ein wenig Ruhe ein im Roten Rathaus. Das Hickhack um die Wiederholungswahl ist ebenso vorbei wie der nervenaufreibende Wahlkrimi um Kai Wegner (CDU) als neuen Regierenden Bürgermeister. Die neue Windrichtung in der Hauptstadt lässt mehrere politikerfahrene Persönlichkeiten und eine Quereinsteigerin in das Rote Rathaus einziehen.
Am bekanntesten dürfte die neue Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sein: Franziska Giffey (SPD) ist nach eineinhalbjähriger Amtszeit als bisherige Regierende Bürgermeisterin unter Kai Wegner jetzt „nur noch“ Bürgermeisterin und dessen Stellvertreterin. Die in Frankfurt an der Oder geborene SPD-Landesvorsitzende war zunächst Bezirksstadträtin im Berliner Bezirk Neukölln und dort später Bezirksbürgermeisterin. Im April 2018 wechselte Franziska Giffey auf die Bundesebene und war drei Jahre Bundesfamilienministerin, bis sie im Mai 2021 als Bundesministerin zurücktrat. Noch im selben Jahr wurde sie Spitzenkandidatin der Berliner SPD für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst. Bis vor Kurzem war die 45-Jährige die zweite Frau, die das Amt der Bürgermeisterin in Berlin innehatte. Die erste war die Sozialdemokratin Louise Schroeder, die von 1947 bis 1948 höchste Amtsträgerin der Kapitale war.
Auch Iris Spranger (SPD) dürfte den Hauptstädtern bereits bekannt sein: Als einzige Senatorin aus dem Kabinett von Franziska Giffey bleibt die 1961 in Halle an der Saale geborene Sozialdemokratin auf ihrem Posten. Die Senatorin für Inneres, Digitalisierung und Sport zog erstmals 1999 ins Abgeordnetenhaus ein und gehörte ihm bis 2006 an. Nach fünf Jahren als Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen zog sie 2011 erneut ins Landesparlament ein. Im Jahr 2021 wurde sie Innensenatorin und realisierte gegen den Widerstand von Grünen und Linkspartei unter anderem die umstrittene Polizeiwache am Kottbusser Tor.
Erfahrene und eine Quereinsteigerin
Eine Schlüsselrolle übernimmt auch Maja Schreiner als neue Senatorin für Mobilität, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz. Die stellvertretende Landesvorsitzende der CDU wurde in Wismar geboren und wuchs in der Nähe von Rostock auf. Seit 2007 arbeitet die promovierte Juristin für verschiedene Interessenverbände, zuletzt für die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Als neue Verkehrsenatorin will Maja Schreiner Klimaschutz und individuelle Mobilitätsbedürfnisse „versöhnen“, wie sie sagt. „Realismus statt Ideologie, Angebot statt Verbot, Vorbildwirkung des Senats und Priorität auf Sicherheit“, so lautet das Credo der 44-Jährigen. So etwa will sie unter anderem Park-and-Ride-Parkplätze und den ÖPNV ausbauen.
Für eine Überraschung hat die Nominierung von Felor Badenberg (parteilos) als neue Justizsenatorin gesorgt. In CDU-Kreisen wird die in der iranischen Hauptstadt Teheran geborene Juristin als gelungener Coup gesehen. Seit 2006 ist die 48-Jährige beim Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Dort machte sie unter dem 2018 geschassten Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen Karriere. Gegen den Widerstand von Horst Seehofer war sie maßgeblich an der Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall beteiligt. Im vergangenen Sommer machte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser die 48-Jährige zur Vizepräsidentin des Inlandsnachrichtendienstes. Dort leitete die Deutsch-Iranerin den Bereich Rechtsextremismus und Terrorabwehr. Zuvor war sie im Bereich Cyberabwehr tätig.
Am Lehrkräftemangel in Berlin haben sich in der Vergangenheit schon die sozialdemokratischen Schulsenatorinnen Astrid-Sabine Busse und Sandra Scheeres abgearbeitet. Nun hat die CDU mit Katharina Günther-Wünsch die Verantwortung für das diffizile Ressort. „Wir kämpfen gegen diesen Fachkräftemangel an: Mit der systematischen Weiterqualifizierung von Quereinsteigern, mit dem Einsatz von Pensionären und Studierenden und mit zahlreichen Werbemaßnahmen zur Fachkräftegewinnung“, sagt die neue Senatorin für Bildung, Jugend und Familie. Die 40-jährige Lehrerin ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und war bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion.
Die neue Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung ist die Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD). Die studierte Volkswirtin mit türkischen Wurzeln saß seit 2013 im Bundestag. Sie war zuletzt Parlamentarische Staatssekretärin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Die 47-Jährige will gute Ausbildungsplätze für alle Azubis in der Stadt schaffen. Zudem will sie sich dafür einsetzen, dass alle Bezirke gleichmäßig geflüchtete Menschen aufnehmen.
Ina Czyborra ist neue Senatorin für Gesundheit, Wissenschaft, Pflege und Gleichstellung. Die politikerfahrene gebürtige Berlinerin kommt aus dem SPD-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf. Die promovierte Archäologin und Historikerin ist seit 2011 Abgeordnete im Abgeordnetenhaus. Seit dem Jahr 2018 ist die 56-jährige dreifache Mutter Vizevorsitzende der Berliner SPD und seit 2019 Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt.
Berliner und Wahlberliner
Politikbeobachter erinnern sich an Joe Chialo als Mitglied von Armin Laschets achtköpfigem „Zukunftsteam“ während des Bundestagswahlkampfs 2021. Der 53-jährige Musikmanager wollte für die CDU in den Bundestag ziehen. Jetzt ist der in Bonn geborene Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie Berlins neuer Kultursenator. 2016 ist der Wahl-Berliner in die CDU eingetreten und seitdem im Ortsverband in Berlin-Mitte aktiv. Als Mitglied des Vereins zur Förderung der Popkultur engagiert er sich für die Förderung junger Nachwuchstalente. Zudem ist er Vorstandsmitglied des Vereins „Initiative Hauptstadt Berlin“, der sich für eine tolerante und kreative Identität der Spreestadt einsetzt. Weil der kreative Kopf eine Lehre gemacht, sein Studium abgebrochen und unter anderem auch als Türsteher gearbeitet hat, bezeichnete ihn die „Zeit“ als „natural-born Kultursenator“ – zumindest aus Berliner Sicht.
Den neuen Posten als Finanzsenator bekleidet jetzt der CDU-Politiker Stefan Evers. Geboren im nordrhein-westfälischen Herdecke kam der Jurist und Unternehmensberater 1999 nach Berlin. 2016 wählte die CDU Stefan Evers auf Vorschlag der damaligen Parteichefin Monika Grütters zum Generalsekretär. Später hielt Kai Wegner an dem 43-Jährigen fest, der zwischenzeitlich auch Parlamentarischer Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion war. Auf seiner Webseite präsentiert sich der Christdemokrat als Macher, dessen größte Schwäche Ungeduld ist. Demnach will er in seinen Wahlkreisen Altglienicke und Adlershof „mit vollem Einsatz weiter arbeiten“, um Probleme wie Mobilität, Radverkehrsplan und die Grundsteuerbelastung „vor allem von Ein- und Zweifamilienhäusern im Ostteil der Stadt“ anzugehen.
Der Sozialdemokrat Christian Gaebler kennt als neuer Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sein Haus aus der vorigen Regierung. Der Diplom-Ingenieur war in der rot-grün-roten Regierung Staatssekretär für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Davor hatte der 58-jährige Berliner seit 2011 Staatssekretärsposten in verschiedenen Ministerien inne. Der Sozialdemokrat gilt als äußerst erfahrener Mann der Verwaltung.