Obwohl Fernseher immer größer werden, wollen manche Film-Fans lieber ein „richtiges“ Heimkino. Machbar ist fast alles, sofern man ein gewisses Geschick mitbringt – oder viel Geld.
Benedikt Leder hat es nie weit bis ins Kino. Zwar wohnt er in Jüchen, einer kinolosen Kleinstadt in der Nähe von Mönchengladbach. Doch Leinwand und Blockbuster gibt’s auch im eigenen Haus, und das sogar ohne Eintrittskarte. Um in die Film-welt einzutauchen, geht Benedikt Leder die Kellertreppe runter, überschreitet die Fußmatte mit der Aufschrift „Cinema“ und öffnet die Tür. Hier unten, in einem früheren Abstellraum, hat sich der 31-Jährige seinen Traum erfüllt: nicht bloß einen Fernsehraum, sondern ein vollwertiges, „richtiges“ Kino.

Heimkinos boomen seit Corona
Der 32 Quadratmeter große Vorführraum sieht wirklich so aus, wie man ihn von professionellen Lichtspielhäusern kennt: Leinwand, Lautsprecher, Laserprojektor. Dazu eine Popcorn-Maschine in der Ecke. Auf dem Boden liegt Teppich, an den Wänden hängen LED-Streifen, die sich, je nach Bedarf, dimmen lassen. Sogar geräuschdämmende Wolle hat Leder verlegt, um die Nachbarn vor unfreiwilligen Hollywood-Erlebnissen zu bewahren. „Selbst wenn wir voll aufdrehen, hört in der anderen Doppelhaushälfte niemand etwas“, sagt der Film-fan. Er lacht. „Vielleicht sind unsere Nachbarn auch einfach nur freundlich.“
Leders ganzer Stolz kommt beim Blick nach oben zum Vorschein. In eine Grobspan-Platte hat er 750 Löcher gebohrt, aus denen Glasfaserkabel zum Vorschein kommen. Auf Knopfdruck wird daraus ein prächtiger, glitzernder Leuchthimmel. Monatelang hat er an der Konstruktion gewerkelt. „Manchmal hätte ich das Ding am liebsten zertreten“, sagt er rückblickend. Doch die Mühe hat sich gelohnt. „So etwas gibt es nicht mal in einem richtigen Kino“, schwärmt der Konstrukteur.
Nur die vielen Fernbedienungen, mit denen er die einzelnen Komponenten steuert, sind ihm noch nicht ganz geheuer. Und die Sitzgelegenheit, ein Ecksofa. „Ich hätte Kinosessel besser gefunden, aber meine Frau wollte unbedingt das alte Sofa. So kann man sich beim Filmgucken auch mal hinlegen.“

Mit ihrer Lust am Do-it-yourself-Cinema sind die Leders nicht allein. Während viele kommerzielle Kinos noch immer an den Folgen der Pandemie leiden, boomt der Heimvideo-Markt. Laut einer Analyse des Marktforschungsinstituts GfK gaben die Deutschen im vergangenen Jahr durchschnittlich 123,28 Euro für DVDs, Blu-Rays und Streaming-Dienste aus – der höchste Stand seit Beginn der Datenerhebung. Besonders Online-Plattformen legten weiter zu. Doch während sich die meisten Film-Fans mit einem großen Flachbild-Fernseher begnügen, gehen andere noch einen Schritt weiter: Sie wollen ein Kino-Erlebnis wie im echten Kino.
Um diese Zielgruppe zu bedienen, hat sich in den vergangenen Jahren eine spezielle Branche herausgebildet: Firmen, die ihren Kunden jeden noch so abstrusen Wunsch erfüllen – vorausgesetzt, das Geld stimmt. Benedikt Leder hat sich bei „Heimkinoraum“ in Köln beraten lassen. Ihm war es wichtig, die meisten Arbeiten selbst zu übernehmen, um Kosten zu sparen. „Ich habe einen Bürojob, aber trotzdem keine zwei linken Hände“, sagt Leder. „Ich weiß, wie man sägt und bohrt.“
Bei ambitionierten Projekten können allein die Handwerkerkosten schnell fünfstellig werden. Da Leder sich „nur“ die Technik angeschafft hat, konnte er bei diesem Posten ordentlich sparen. Am Ende hat der cineastische Keller rund 21.000 Euro gekostet, was in der Branche als sehr günstig gilt. Einziger Nachteil: Es dauert länger. Ein halbes Jahr hat Benedikt Leder im Keller gesägt, gebohrt, gehämmert und nicht selten auch geflucht. Dann war das Heimkino fertig.
Spielwiese für reiche Kunden

„Manche Leute geben 30.000 Euro für einen einzigen Lautsprecher aus“, weiß Christan Leyendecker, Geschäftsführer des Fachgeschäfts Heimkinoraum in Köln. Er unterscheidet zwischen verschiedenen Kundentypen: Da sind die, die sich einen Lebenstraum erfüllen wollen, aufs Geld schauen müssen und viel selbst machen. Da sind die, die lieber alles den Fachfirmen überlassen und am Ende froh sind, wenn sie die Play-Taste finden. Und da sind die Superreichen. „Die wollen sich was gönnen“, sagt Leyendecker. „Ich habe auch schon mal ein Schwimmbad zum Kino umgebaut.“
Trotzdem müsse man kein Millionär sein, um sich ein Heimkino leisten zu können. „Grundsätzlich können wir es in jede Wohnung, in jeden Raum einbauen“, sagt Leyendecker. Seine Firma plant den Umbau und arbeitet dabei mit Elektrikern und anderen Gewerken zusammen. „15 Quadratmeter sollte der Raum aber schon haben“, betont der Experte. „Das ist wirklich das absolute Minimum.“ Ansonsten orientiere er sich am jeweiligen Budget: Braucht man wirklich einen 50.000-Euro-Beamer? Einen High-end-Lautsprecher? Einen hinter der Leinwand versteckten Bass? Oder tut es vielleicht auch ein günstigeres Modell? „Wir gucken, wie es vor Ort am besten funktioniert“, sagt Leyendecker.
Ganz anders die Situation bei Mansour Mamaghani. Der 56-Jährige leitet die Firma Audio Reference in Hamburg. Zu seinem Kundenkreis gehören diejenigen, die nicht so sehr aufs Geld schauen müssen. „Je nach Wunsch kann ein Heimkino bis zu einer Million Euro kosten“, sagt Mamaghani. „Auch ich musste erst einmal lernen, damit umzugehen. Aber wenn wir den Raum dann auf einer Yacht einbauen, die 240 Millionen gekostet hat, merken wir, dass das für manche Kunden eigentlich Peanuts sind.“ Der Hamburger Heimkino-Experte hat schon viele Villen von innen gesehen – manche mit riesigen Swimmingpools, andere mit privaten Schießanlagen. Sogar bis nach Südafrika und in die USA ist er schon geflogen, um solvente Filmfans glücklich zu machen.
Nach oben gibt es keine Grenzen

„Das sind Leute, die ihre Privatsphäre schätzen“, sagt Mamaghani. Manche wünschten sich ein Heimkino, um Freunde einzuladen; andere, um abends Fußball oder Heimvideos auf der Riesenleinwand zu schauen – also auch nicht anders als Hobby-Cineasten mit einem geringeren Budget. Der Unterschied: Zeit. „Unsere Kunden sind meist viel unterwegs und haben lange Arbeitstage“, sagt der Experte. „Wenn’s hochkommt, nutzen sie das Kino vielleicht zweimal pro Woche.“ Zu seinen Auftraggebern zählen Konzern-Bosse, Politiker und Promis – fast immer Männer, und immer verschwiegen. Konkrete Namen? Tabu. Die Klientel mag es diskret.
Deutlich offener ist Mamaghani, was seine Leistungen anbelangt. Das fange schon bei den Sesseln an. Ob Lederstärke, Massage-Funktion oder Sitzheizung – alles lasse sich individuell auswählen. Denn die Ansprüche steigen. „Vor 15 Jahren war es ein Big Deal, wenn die Lautsprecher aus der Wand fahren“, sagt Mamaghani. „Heute ist das ganz normal.“ Um seinen Kunden zu zeigen, was alles möglich ist, hat er zwei Demo-Kinoräume am Hamburger Firmensitz gebaut. In einem sind sogar die Treppenstufen beleuchtet, wie in einem Multiplex. „Die meisten landen am Ende bei um die 100.000 Euro“, erklärt der Geschäftsmann. Dafür bekomme man dann aber auch eine echte „Business-Class“.
In Jüchen wiederum ist Benedikt Leder froh, dass er solche Summen nicht aufbringen musste. „Ich bin froh, dass alles so gut geklappt hat“, sagt der junge Mann rückblickend. Besonders der leuchtende „Himmel“ habe ihm wiederholt Kopfzerbrechen beschert. „Wenn man alles selbst macht, braucht man auf jeden Fall gute Nerven. Und eine fachliche Beratung.“ Im echten Kino war er schon lange nicht mehr, dafür zieht es ihn etwa dreimal pro Woche in den Keller. Neben Serien und Filmen sieht er sich Champions-League-Spiele an oder zockt Ballerspiele. „Dann setze ich aber die Kopfhörer auf“, versichert Leder.