Wie es Autobauer aus Fernost an die Weltspitze brachten
Das „Mobilitätsfestival“, so der euphorische Titel des Branchenverbands VDA für die vergangene IAA Mobility, ist abgefeiert. Der Rausch der Lobeshymnen der Veranstalter auf eine aus ihrer Sicht gelungene Autoausstellung ist vorbei. Die Pavillons der Hersteller an Münchens schönsten Plätzen sind abgebaut, München gehört wieder den Münchnern – und den Touristen. Alles wie gewohnt.
Übrig bleibt der Kater wegen den Erkenntnissen, die auf der IAA Mobility gewonnen wurden. Die wichtigsten im Folgenden. Zum einen: Das Zeitalter der fossilen Verbrenner geht zu Ende. Zum zweiten: Weltautomacht der Zukunft ist China, die etablierten deutschen Verbrenner-Weltmeister haben ihre Vormachtstellung verloren.
Das Magazin „Automobilwoche“ brachte es historisch-literarisch auf den Punkt: „Ein Schreckgespenst geht um in der deutschen Autoindustrie. Die chinesischen Wettbewerber werden nach Europa kommen, sich festsetzen und siegen!“
Die bunte Münchner Autoshow zeigte die Fortsetzung: Chinas Autohersteller kommen nicht erst, sie sind schon da – oder stehen laut Pressemeldungen im Rhein- und Mainland zuhauf in den Startlöchern. Eine Vielzahl hierzulande teils völlig unbekannter chinesischer Automarken wie Xpeng mit knuffigen kleinen und mittleren Elektroautos und erstmals qualitativ völlig wettbewerbsfähigem Angebot. Und das angeblich zu erschwinglichen Preisen – bis dato allerdings nur in China, wo ein heftiger ruinöser Preiskampf tobt. Nicht in Europa, hier wollen die Autobauer aus China Geld verdienen – nicht auch noch verbrennen, wie in der Heimat.
Kurz: Chinesische Hersteller „machten sich die IAA 2023 untertan“, meinte mancher. Deutsche Hersteller hingegen machten lange Gesichter. So hatten sie sich die IAA Mobility wohl nicht gewünscht. Über Jahrzehnte rangierten Autos made in Germany mit ihren Hightech-Verbrennern, vor allem aber der Dieseltechnologie, an der Weltspitze. Kurz: Die Zeiten sind vorbei, die Politik in allen Industriestaaten will die Verbrenner mit Verboten vom Markt verdrängen.
Dominiert wurde die IAA Mobility eindeutig von knapp einem Dutzend chinesischer Anbieter und von Tesla, die sich auf allen verfügbaren Messeständen mit ihrem vielfältigen Modellangebot vor SUV und kleineren E-Autos breit gemacht hatten. Und selbst dabei wurde VW an Größe überboten. Enttäuschung all überall.
Die neue Automacht heißt China. Das Urteil in den Medien und der Fachpresse war eindeutig: Die globale Vormachtstellung der deutschen Autoindustrie, über Jahrzehnte mühsam errungen, ist gebrochen.
In China wie in Europa stehen deutsche Hersteller unter Druck. Zum Trost: Das gilt nur bei der Elektromobilität. In der Verbrennertechnologie haben chinesische Autobauer bisher keinerlei eigene Kompetenz, sondern kopieren oder übernehmen in Lizenz von ihren deutschen Zwangs-Kooperationspartnern.
Die chinesische Autoindustrie hat unter staatlicher Regie den Wechsel vom Verbrenner- ins Elektrozeitalter am radikalsten vollzogen. Und den Rest der Welt damit überrascht und inzwischen hinter sich gelassen: Im Jahr 2022 wurden in China rund 5,1 Millionen batteriebetriebene Elektroautos und rund 1,6 Millionen Plug-in-Hybridelektroautos produziert.
Der Vorsprung Chinas als größter Markt für die Elektroautos wächst weiter: 2022 wurden in China 6,5 Millionen Elektroautos und Plug-in-Hybride neu zugelassen (plus 94 Prozent). Das sind knapp 61 Prozent der weltweiten Neuzulassungen von E-Autos – das heißt, mehr als jedes zweite E-Auto auf dem Globus läuft in China. Allerdings muss man wissen: Die Welt wird mit rund 85 Millionen Zulassungen jährlich auf Jahre hinaus vom Verbrenner dominiert. Und der Weg zum Erfolg auf dem Markt für E-Autos ist steinig, VW weiß mit seiner Kürzung der Produktion in seinen E-Werken ein Lied davon zu singen.
Bei den Zulassungszahlen in Deutschland kamen chinesische Autos – alle zusammengerechnet – bis Sommer 2023 nicht über die Ein-Prozent Marke hinaus. Tesla allein hat mehr als doppelt so viele Anteile wie alle Chinesen zusammen. Und China selbst ist bekannt als Friedhof der Elektroautos-Start-ups. Von mehr als 300 sind bislang 30 übriggeblieben. Aber die haben es in sich.
Kein Grund zur Entwarnung also. Es bleibt spannend.