Drei Fragen
„Kleinstädte erleben echte Renaissance“
Den Kleinstädten kommt bei der Wohnbauförderung eine bedeutende Rolle zu, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD)
Frau Geywitz, Deutschlands Kleinstädte sind die neuen Boom-Towns, wie kommt es zu dieser Entwicklungsumkehr?
Man kann wirklich sagen, dass die Kleinstädte eine echte Renaissance erleben und das belegen auch unsere wissenschaftlichen Erhebungen. Seit der Pandemie ist die Kleinstadt wieder der Sehnsuchtsort. Dort hat man eine gewisse Urbanität, dort hat man den Arzt, den Bäcker, dort gibt es in Laufnähe zum Wohnort die Schulen für die Kinder. Es ist aber überschaubar und vor allem auch naturnah. Damit ist die Kleinstadt gerade auch für Menschen aus der Großstadt eine echte Alternative, wie eben auch die jüngsten Zahlen belegen.
Damit sind dann aber auch Sie als Bundesbauministerin gefordert, wenn es um Förderung geht, oder?
Das erste wofür ich als Bauministerin gesorgt habe ist, dass Kleinstädte in allen Politikfeldern mitgedacht werden. Das heißt, Kleinstadt ist nicht nur der Bereich in den ländlichen Räumen, sondern Kleinstädte sorgen für Arbeitsplätze und sind damit auch für das Wirtschaftsministerium interessant. Dann ist Kleinstadt aber auch ein Thema für das Verkehrsressort. Sie müssen mit dem ÖPNV gut erreichbar sein, das steigert ihre Attraktivität. Und dann kommt mein Ressort schon in den Blick: Kleinstädte sind Wohnorte und dort gibt es tatsächlich noch Flächen, die es zum Beispiel in vielen Ballungsräumen nicht mehr gibt. Darum arbeiten wir derzeit an einer Leerstandsstrategie, einer Erhebung von Wohnleerstand, der durch Sanierungsmaßnahmen schnell wieder reaktiviert werden könnte.
Also sozusagen ein Wohnungsbauprogramm Kleinstadt?
So würde ich es nicht formulieren. Es geht ja nicht darum, Menschen die auf Wohnungssuche sind, in die Kleinstadt zu zwingen. Sondern auch in den Großstädten muss neuer Wohnraum entstehen. Andersherum wird da ein Schuh draus. Es gab gerade in den letzten Jahrzehnten sehr viele Menschen, die ihre Heimat, ihre kleine Stadt, verlassen mussten. Viele sind der Arbeit hinterhergezogen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Dank der Digitalisierung können viele Menschen von Zuhause aus arbeiten und das ist die Chance für die Kleinstadt. Dort gibt es den bezahlbaren Wohnraum und wenn dann auch noch die Verkehrsanbindung stimmt, hat die Kleinstadt viele Vorteile. Interview: Sven Bargel
Kampagne: SUV-Verbot in Innenstädten
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat unter dem Titel „Monster-SUV raus aus meiner Stadt“ eine bundesweite Bürgerbefragung gestartet und fordert ähnlich wie in Paris wesentlich höhere Parkgebühren für übergroße Geländefahrzeuge. SUV und Pick-Ups jenseits von fünf Metern Länge sollen gar nicht mehr in dicht bebauten Innenstädten parken dürfen. Hierzu ruft die Deutsche Umwelthilfe unter www.duh.de/keine-monster-suv die Menschen in Deutschland auf, ihr mitzuteilen, für welche Städte sie sich weniger übergroße Fahrzeuge und mehr Platz für Fahrradfahrer und Fußgänger wünschen. Je mehr Menschen pro Stadt die DUH beauftragten, einen solchen Antrag zu stellen, umso größer sei die Chance auf Erfolg der Initiative, gibt die Deutsche Umwelthilfe an. In Paris wurde beispielsweise in einem sehr knappen Bürgerentscheid beschlossen, dass übergroße Geländewagen nicht mehr sechs Euro, sondern 18 pro Stunde an Parkgebühr bezahlen müssen.
Verfassungsschutz arbeitet an AfD-Gutachten
Bislang wird die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als ein „Verdachtsfall des Rechtsextremismus“ geführt. Bereits seit über einem halben Jahr arbeitet der Deutsche Inlandsgeheimdienst an einem neuen Gutachten zur Einstufung der AfD. Mitte März soll dieses nun vorgestellt werden und dann könnte die gesamte Partei als „gesichert extremistische Bestrebung“ gelten. Das heißt, die Möglichkeiten der Verfassungsschützer zur nachrichtendienstlichen Überwachung könnten ausgeweitet werden. Eigentlich sollte das Gutachten schon Anfang Januar vorgestellt werden, doch die Justiz hat den ursprünglichen Zeitplan ausgebremst. Anfang März will das Oberverwaltungsgericht Münster über eine Klage der Partei gegen ihre Beobachtung entscheiden, dieses will das Bundesamt für Verfassungsschutz noch abwarten, damit das Urteil auch in dem Gutachten noch Beachtung findet und so nicht nach der Veröffentlichung gleich wieder neu gefasst werden muss.
Schokolade wird teurer
Innerhalb eines Jahres hat sich der Preis für eine Tonne Kakao an den Rohstoffmärkten mehr als verdoppelt, von umgerechnet 2.500 auf knapp 5.500 Euro. Die Folge davon ist, dass sich in den kommenden Monaten die Preise für eine Tafel Schokolade massiv verteuern werden. Allerding ist noch nicht klar, ob die Preissteigerungen von den Herstellern direkt an die Kunden durchgereicht werden, oder sich die Inhalte in den Verpackungen einfach nur verkleinern. „Ein Kilo Kakao ist knapp drei Euro teurer als noch vor einem Jahr. Was das für die Herstellungskosten einer 100-Gramm-Schokoladentafel bedeutet, die zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich jeder selbst ausrechnen, aber wir bewerten aktuell gesamthaft die Situation“, sagte ein Sprecher des Schokoladenherstellers Ritter Sport. Solveig Schneider, die stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), bestätigt ebenfalls, wenn auch sehr zurückhaltend: „Gestiegene Rohstoffpreise und Löhne können zu Kostensteigerungen führen, die tendenziell an den Verbraucher weitergegeben werden könnten.“
Sexarbeit
Prostituierte wehren sich
In Deutschland wird wieder über ein Sexkaufverbot nach nordischem Vorbild diskutiert. Demnach würde nicht die Sexarbeit als solches, also das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen, sondern die Inanspruchnahme von Sexdienstleistungen durch Kundinnen und Kunden als Straftatbestand geahndet werden. Der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen protestiert gegen diese Gesetzesinitiative und warnt, damit würde die legale Prostitution in Clubs und Bordellen weiter kriminalisiert. „Ein Gesetz das Sexarbeiterin und -arbeiter nicht etwa schützt, sondern in die absolute Illegalität treibt“, sagte der Sprecher des Bundesverbandes Sexarbeit, Kolja-André Nolte gegenüber FORUM. „Mit dem Verbot des Betriebs von Prostitutionsstätten würden sichere Arbeitsplätze wegfallen. Sexarbeitende müssten unter dem Sexkaufverbot auf informelle und somit unsichere Arbeitsorte ausweichen, wo sie auch für Beratungsstellen und polizeiliche Maßnahmen schwerer auffindbar sind“, argumentiert der Bundesverband Sexarbeit.
Kein neuer Investor für Ford-Gelände
Die Gespräche mit einem Groß-Investor für das Ford-Werk in Saarlouis sind gescheitert. Die Beschäftigten bei Ford haben sich derweil für die Annahme des Sozialplans entschieden. Die Verhandlungen dazu liefen parallel zu den Verhandlungen mit den Investoren. Von Beginn an seien laut saarländischem Wirtschaftsministerium mehrere Szenarien entwickelt worden: ein Einzelinvestor, Contract Manufacturing oder ein Industriepark. Das Interesse seitens Ford, einen Betriebsübergang mit hohem Beschäftigungsniveau zu sichern, sei jetzt nach Annahme des Sozialplans eher gering. Das Wirtschaftsministerium sucht nun mit Ford eine Lösung, wie die bisher unbebauten Freiflächen vom Land schnellstmöglich genutzt werden können. Auch ein Teil der Werksflächen soll frühzeitig zur Verfügung stehen, damit schnelle Investitionsentscheidungen von Dritten getroffen werden können. Daneben will das saarländische Wirtschaftsministerium dafür sorgen, dass die am Standort Saarland interessierten Unternehmen auch unabhängig vom Ford-Standort, ihre Ansiedlungen realisieren können.
Jugendhilfeausschuss sucht Zusammenschlüsse
Der Regionalverband Saarbrücken sucht für einen Sitz im Jugendhilfeausschuss selbstorganisierte Zusammenschlüsse. Hierfür können sich Ehrenamtliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch Selbsthilfegruppen von Eltern, Pflegeeltern, Jugendliche oder Kinder bewerben. Im Kern sind Gruppen gefragt, die nicht in berufsständischen Organisationen eingebunden sind. Ein Vertreter oder eine Vertreterin eines selbstorganisierten Zusammenschlusses könne als beratendes Mitglied im neu gebildeten Ausschuss ab September tätig sein. Die Aufgabe ist, Kinder und Jugendliche sowie Familien zu unterstützen und zu fördern. Sie sollen eine Selbsthilfekontaktstelle oder Selbstvertretung sein und verschiedene Formen der Selbsthilfe anbieten.
Tüv kritisiert Cannabis-Entscheidung
Der Tüv-Verband kritisiert den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis. „Rauschfahrten unter Einfluss von Cannabis gehören zu den gefährlichsten Delikten im Straßenverkehr“, erklärte Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug & Mobilität beim Tüv-Verband. Es brauche deshalb dringend Klarheit über einen wissenschaftlich fundierten Grenzwert und ein absolutes Cannabisverbot für Fahranfänger in der Probezeit, Gefahrguttransporte und Personenbeförderung. Daneben fordert der Tüv eine breit angelegte Präventionskampagne, die über Risiken bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter Einfluss von Cannabis aufklären soll. Mit dem neuen Gesetz soll Erwachsenen künftig der Bestz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum erlaubt werden, im öffentlichen Raum liegt die Grenze bei 25 Gramm.
Engagiert für den Frieden
Zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine haben mehr als 2.000 Menschen in Saarbrücken unter dem Motto „Wir halten zusammen“ für Frieden demonstriert. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hatte zur weiteren Solidarität für die Ukraine aufgerufen und zugleich den russischen Angriffskrieg scharf kritisiert: „Der russische Neo-Imperialismus ist eine Bedrohung für ganz Europa und hat die geopolitische Lage vollkommen verändert. Der brutale Einmarsch des russischen Aggressors hat die bis dato geltende trügerische Sicherheit eines friedlichen Miteinanders in Europa erschüttert. Die Menschen in der Ukraine beweisen eine ungeahnte Widerstandskraft und verteidigen damit auch Freiheit und Sicherheit Europas.“ Gleichzeitig gab es zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen, wie einen „Abend für den Frieden“ in Kleinblittersdorf, gestaltet von „one music project“, einem Musikprojekt von Geflüchteten und Einheimischen. Eine ukrainische Familie trat mit Volksliedern aus der Heimat auf, Geflüchtete aus Syrien erinnerten daran, dass auch an anderen Brandherden Kriege für Tod, Leid und Flucht sorgen.
Sicherheit
Rutte als Nato-Chef
Der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte wird vermutlich der Nachfolger des Norwegers Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär. Gut unterrichtete Kreise in Brüssel haben erfahren, dass sich bereits 20 Regierungen der 31 Mitgliedsländer für den Liberalkonservativen entschieden haben. Die erreichte Zweidrittelmehrheit reicht für Rutte aber noch nicht aus, da die Nato die Führungsfrage im Konsens entscheidet. Zu den Zögerern sollen Ungarn und die Türkei gehören. Estland, Lettland und Litauen wünschen sich vom künftigen Generalsekretär klare Unterstützung für die angestrebte Nato-Mitgliedschaft der von Russland überfallenen Ukraine. Damit ist Rutte momentan der einzige Kandidat als Nachfolger des Norwegers Jens Stoltenberg, der nach zehn Jahren Amtszeit eigentlich längst abtreten wollte. Sollte er – voraussichtlich im Sommer – ins Hauptquartier nach Brüssel berufen werden, stünde Rutte angesichts des Konflikts mit Russland und wegen womöglich nachlassender Unterstützung der USA für Europa vor den vielleicht schwierigsten Bündnis-Herausforderungen seit Gründung des Nordatlantikpaktes vor genau 75 Jahren.
Krankenhaustransparenzgesetz abgesegnet
Das Krankenhaustransparenzgesetz ist von Bund und Ländern nach langem Hin und Her auf den Weg gebracht worden. Das Prinzip der Fallpauschalen wird damit abgeschafft. „Ungleich wichtiger als das grüne Licht für das Krankenhaustransparenzgesetz ist jedoch das Gelingen der grundlegenden Krankenhausreform, die die Spezialisierung und eine adäquate Finanzierung der Kliniken gewährleisten soll“, warnt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann. Allen sei klar, dass dieser qualitätsorientierte Umbau der Krankenhauslandschaft sehr viel Geld kosten wird, aber nicht zulasten Dritter gehen dürfe, sagte Reimann. „Wenn der geplante Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro von Bund und Ländern finanziert werden soll, muss der Bundesanteil aus Steuermitteln bereitgestellt werden. Eine Finanzierung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung ist dagegen nicht in Ordnung. Das würde bedeuteten, Arbeitgeber und GKV-Versicherte müssen erneut für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe geradestehen“, sagte die AOK-Vorstandsvorsitzende.
Proteste
Grünen-Chefin ausgebuht
Bei einer Parteiveranstaltung der Grünen musste Chefin Ricarda Lang erneut einen wahren Spießrutenlauf beim Betreten der Veranstaltungshalle in Magdeburg hinlegen. Dutzende Bauern hatten sich zu Protesten versammelt. Bis zum Beginn der Veranstaltung hatten nach Polizeiangaben etwa 90 Traktoren und andere Fahrzeuge die Hauptverkehrsstraße im Magdeburger Stadtteil Buckau blockiert. Insgesamt sollen laut Polizei rund 200 Teilnehmer an dem Protest teilgenommen haben. Die Bauern hatten ihre Maschinen rund um den Veranstaltungsort geparkt und Feuer angezündet. Nach der Ankunft von Lang gab es „Buh-Rufe“ und ein Hupkonzert, dazu wurde immer wieder skandiert „Wir haben die Schnauze voll“. Grünenchefin Lang versuchte daraufhin, ins Gespräch mit den Landwirten zu kommen, was allerdings wenig fruchtbar war. Als die Grünen-Chefin am Abend wieder abfahren wollte, hätten einige Bauern den Weg blockiert, die Polizei habe einschreiten müssen. Ricarda Lang sei aber zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Festnahmen habe es nicht gegeben, teilte die Polizei mit.
Wiegands Wahl Watch
Auf dem Weg zur EU-Wahl
Nach ihrer Nominierung durch die CDU zur Spitzenkandidatin der europäischen Christdemokratie (EVP) hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Kampagne für eine zweite Amtszeit begonnen. Dabei macht sie klar, nicht mit Rechtsextremisten zusammenarbeiten zu wollen. Infrage kämen nur Gruppen, die „pro-europäisch, pro-Nato und pro-Ukraine“ seien.
Unklar äußerte sich von der Leyen zu einer möglichen Kooperation mit der Fraktion EKR, in der sich sehr konservative Parteien sammeln. Wahlprognosen sagen diesem Rechtsbündnis gute Erfolgschancen voraus. Die rechtsextreme französische Partei Reconquête ist gerade aufgenommen worden, die Fidesz-Partei des EU-Querkopfes Viktor Orbán will beitreten. Das verärgert sanftere Gruppierungen, weshalb es bei der EKR knistert.
Die aus Malta stammende EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, warnt vor Radikalenerfolgen. Sie appelliert an die 350 Millionen Stimmberechtigten, darunter 66 Millionen Deutsche: „Wählt nicht aus Frustration den Extremismus!“
Für die neue EU-Kommission werden bereits hinter den Kulissen Namen gehandelt. Als Präsidentin der Europäischen Rates und somit Repräsentantin der EU-Regierungen wird Dänemarks sozialdemokratische Kabinettschefin Mette Frederiksen gehandelt. Heißeste Kandidatin als neue EU-„Außenministerin“ ist Estlands Premierministerin Kaja Kallas (Liberale). Und für den neu zu schaffenden Posten als EU-Kommissar für Verteidigung stünde der liberal-konservative polnische Außenminister Radosław Sikorski bereit. Ein Tableau, das frischen Wind verspricht.
Nächste Woche mehr.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.