Drei Fragen
Smartphones an Grundschulen verbieten?
Mehr als 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind von Mediensucht betroffen, sagt der Chef des Deutschen Zentrums für Suchtfragen bei Kindern und Jugendlichen der Uni Hamburg-Eppendorf (UKE), Prof. Rainer Thomasius.
Herr Prof. Thomasius, seit fünf Jahren untersuchen Sie die Gefahren der Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen. Was ist das Ergebnis Ihrer jüngsten Studie?
Gerade während der Pandemie und den daraus resultierenden Lockdowns hat die Nutzung von sozialen Medien gerade unter Kindern und Jugendlichen massiv zugenommen. Das war sozusagen ein Turbo für die sozialen Medien, aber natürlich auch für das Gaming. Dabei haben wir festgestellt, dass mittlerweile mindestens sechs Prozent der Zehn- bis 17-Jährigen ein krankhaftes Nutzungs-, also ein suchtartiges Verhalten aufweisen. Aus unserer Studie bundesweit hochgerechnet sind etwa 360.000 Kinder und Jugendliche von so einer pathologischen Nutzung betroffen.
Wie verändert sich das Verhalten von Kindern und Jugendlichen, die ihr Smartphone oder Tablet zwanghaft benutzen?
Das beginnt mit vermehrten Angstzuständen und zunehmenden Depressionen. Dazu kommt dann eine verminderte Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren und zu steuern. Wenn sich die Nutzungszeiten verdoppeln oder verdreifachen, ist das ein erstes Anzeichen dafür, dass ein Kind betroffen ist. Aus drei oder vier Stunden werden dann zehn bis zwölf. Das heißt, es findet eine Verschiebung des Alltags statt, der praktisch nur noch online stattfindet. Richtige Treffen mit Freunden finden nicht mehr statt, der Sportverein leidet, und wenn die halbe Nacht vor dem Rechner verbracht wurde, werden auch die Schulbesuche weniger.
Wäre ein Smartphone-Verbot an Schulen ein Weg, um einer drohenden Mediensucht von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen?
Da muss man unterscheiden: Ich spreche mich für ein Verbot von Smartphones zumindest an den Grundschulen aus, an den Sekundarschulen ist so ein Verbot dann allerdings nicht wirklich lebensnah. Aber auch dort sollte die Nutzung von Smartphones, Tablets oder Laptops reguliert und kontrolliert ablaufen. Doch generell sind wir Kinder- und Jugendpsychiater uns einig: Smartphones sollten erst ab der fünften Klasse an die Kinder ausgegeben werden, und dann braucht es dringend eine gezielte Anleitung zur Mediennutzung. Interview: Sven Bargel
Abhörskandal bei Bundeswehr
38 Minuten O-Ton-Material werfen weiterhin viele Fragen auf. Zu hören sind vier hohe Offiziere der Bundeswehr, die sich über einen möglichen Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine unterhalten. Ein russisches Nachrichtenportal hatte das Material veröffentlich. Das Problem für Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist, dass die Luftwaffenoffiziere Sicherheitsstandards vernachlässigt haben sollen, da sie ihre Unterredung per Webex geführt haben. Möglicherweise haben Mitarbeiter des russischen Nachrichtenportals RT oder des russischen Geheimdienstes dieses Gespräch gehackt. Der politische Schaden ist immens, für den Verteidigungsminister, aber auch für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In dem Telefonat widersprechen die Luftwaffenoffiziere dem Kanzler, wonach Taurus-Marschflugkörper auch ohne direkte deutsche Hilfe von ukrainischen Soldaten in ihrem Land bedient werden könnten.
Suche nach Ex-RAF-Terroristen
Auf der Suche nach den ehemaligen RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg stochern die Fahnder weiterhin im Nebel, trotz guter Spurenlage. So wurde bei der Durchsuchung einer Wagenburg in Berlin-Friedrichshain ein Bauwagen sichergestellt. In dem soll Garweg jahrelang mitten in der Stadt gelebt haben. Auch eine Wohnung, nur wenige Hundert Meter entfernt, ist von der Staatsanwaltschaft versiegelt worden. Dort soll Ernst-Volker Staub gelebt haben. Doch die beiden Verdächtigen sind weiterhin auf der Flucht. Auf die Spur kamen die Ermittler den beiden Männern, nachdem Ende Februar die Ex-Terroristen Daniela Klette im benachbarten Kreuzberg, keine 2.000 Meter entfernt, festgenommen worden ist. Dort war sie 20 Jahre untergetaucht. Den drei wird vorgeworfen, der dritten Generation der RAF angehört zu haben. Ihr Leben im Untergrund finanzierten sie offenbar mit Raubüberfällen.
EU-Solidarität für entlassene Arbeitskräfte
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, 835 Arbeitnehmende der deutschen Stahlindustrie mit drei Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) zu unterstützen. Hintergrund ist laut Presseinfo die Entscheidung des Stahlrohrherstellers Vallourec, seine Röhrenwerke in Deutschland zu schließen und nach Brasilien auszulagern. Seit Januar können die entlassenen Arbeitskräfte Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. „Die EU-Unterstützung wird ihnen helfen, umzuschulen und einen neuen Arbeitsplatz zu finden oder ein eigenes Unternehmen zu gründen. Davon profitieren nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst, sondern auch Unternehmen, die auf der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften sind“, sagte Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. 40 Prozent der Gesamtkosten kommen aus dem deutschen Bundeshaushalt und von der Bundesagentur für Arbeit.
Umstellung auf E-Mobilität dauert Jahrzehnte
Die komplette Umstellung von Verbrenner- auf Elektro-Mobilität wird vermutlich 30 bis 35 Jahre dauern, sagt Bosch-Chef Stefan Hartung. Wenn man die gesamte Produktion von 90 Millionen Fahrzeugen weltweit sofort umstellen würde, bräuchte man etwa 16 Jahre, um die gesamte Flotte auszutauschen, rechnete Hartung vor. Doch in der Realität sieht das anders aus, denn es werden weiter Verbrenner produziert. „Es wird damit also eher die doppelte Zeit brauchen, mindestens 30 bis 35 Jahre, um weltweit alle Autos zu elektrifizieren“, sagt der Chef einer der weltweit größten Autozulieferer und gibt zu bedenken, dass ein Teil der Mobilität am Ende gar nicht elektrisch sein wird. Dabei nennt er zum Beispiel land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge. So könnten Erntemaschinen nicht ohne Weiteres elektrisch fahren. „Denn sie fahren bis zu zwölf Stunden und ziehen dabei pro Stunde 250 bis 300 Kilowatt Leistung. Mit einer dafür benötigten Batterie würde so ein schweres Fahrzeug im Boden versinken.“
Inflation
Rentenniveau bleibt stabil
Geht es nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), soll das Rentenniveau bis 2029 stabil bei 48 Prozent der Lebensarbeitsleistung bleiben. Entsprechende Gespräche führe er gerade mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), und dieser stehe dem aufgeschlossen gegenüber. Dazu können sich die über 20 Millionen Rentner in Deutschland höchstwahrscheinlich ab 1. Juli auf eine Rentenerhöhung freuen. Laut Hubertus Heil wird die Rente über der Inflationsrate des vergangenen Jahres liegen. Grund dafür ist, dass bei der Rentenberechnung sowohl die aktuelle Inflationsrate als auch die Tarifabschlüsse der letzten zwölf Monate einfließen. Die Tarifabschlüsse lagen im Berechnungszeitraum über der aktuellen Inflationsrate, damit wird automatisch auch die anstehende Rentenerhöhung darüber liegen, sagt der Bundesarbeitsminister. Über wieviel Prozent sich die Rentner ab Juli freuen können, soll Anfang Mai festgelegt werden.
Mehrfache Diskriminierung von Frauen im Alltag
Eine Studie des Forschungsinstitutes Prognos zeigt, dass von den insgesamt 117 Milliarden Stunden an Sorgearbeit 62 Prozent alleine von Frauen getragen werden. Die unbezahlte Sorgearbeit hätte bei einer durchschnittlichen Entlohnung einen Wert von 1,2 Billionen Euro. Laut Jeanne Dillschneider, Landesvorsitzende der Saar-Grünen, eine Summe, die das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 deutlich übersteigen würde. „Das führt zu deutlichen Nachteilen im Erwerbsleben, beim Lebenseinkommen und führt verstärkt zur Altersarmut bei Frauen“, sagt Dillschneider. Des Weiteren macht eine von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützte Kampagne des Online-Magazins „Palais F*luxx“ auf Altersdiskriminierung von Frauen im Job aufmerksam. „Durch die Ausgrenzung von Frauen im Alter von 47+, die noch genau 20 Jahre bis zu ihrem Ruhestand arbeiten können, verzichten Unternehmen auf massives Wachstumspotenzial, das wesentlich zur Wertschöpfung beiträgt“, so die Gründerin des Magazins, Silke Burmester.
Bund setzt Ausnahmen für Brachflächen um
Die Bundesregierung nimmt den Vorschlag der EU-Kommission an, alle Landwirtinnen und Landwirte von der EU-Regelung für Brachflächen auszunehmen. Das geht aus einer Presseinfo des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor. Bislang sollte zum Schutz der Artenvielfalt ein Mindestanteil an Ackerland ungenutzt bleiben oder nur mit Bäumen und Hecken bepflanzt werden. Die Ausnahme sieht vor, dass alle Landwirtinnen und Landwirte von der Verpflichtung ausgenommen werden und trotzdem die GAP-Direktzahlungen erhalten. Stattdessen sollen sie auf sieben Prozent ihrer Ackerflächen stickstoffbindende Pflanzen oder Zwischenfrüchte anbauen. Diese bieten laut EU-Kommission eine Reihe von Umweltvorteilen für die Bodengesundheit und verhinderten Nährstoffauswaschung. Laut Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) stehe die Bundesregierung dennoch zu den vereinbarten Zielen der Biodiversität: „Wir werden jetzt gemeinsam mit der Landwirtschaft und den Umweltverbänden gute und praxisgerechte Lösungen ausarbeiten.“
Neue Studie zu Lebererkrankungen
Homburger Forscher beteiligen sich an der weltweit größten Studie zur Früherkennung von Leberschäden. In dem EU-Forschungsverband wird laut Pressestelle der Universität des Saarlandes (UdS) Jörn Schattenberg, Professor für Innere Medizin und Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Endokrinologie, den saarländischen Teil der Studie abdecken. Sie soll ermöglichen, Lebererkrankungen frühzeitig zu erkennen. Jedes Jahr sterben rund 300.000 Menschen in Europa infolge von Leberschäden. „Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie eine Leberfibrose oder sogar eine Leberzirrhose haben“, weiß Jörn Schattenberg. In der Studie sollen 100.000 Patientinnen und Patienten aus sechs europäischen Ländern untersucht werden. Die EU fördert die UdS hierfür mit knapp einer Million Euro.
„Respekt im Wald“
Das saarländische Umweltministerium eine neue Kampagne unter dem Leitmotiv „Respekt im Wald“ gestartet. Über ein Jahr lang soll jeden Monat ein Thema im Mittelpunkt stehen, das sich mit respektvollem und richtigem Verhalten im Wald beschäftigt. Der Wald als hochkomplexes und sensibles Ökosystem stellt laut Presseerklärung des Umweltministeriums einen schützenswerten Bestandteil der Lebensgrundlagen für Tiere, Pflanzen und Menschen dar. „Müll, Lärm und rücksichtsloses Verhalten stören das Ziel einer nachhaltigen und gemeinsamen Nutzung des Waldes. Erst wenn wir alle mit mehr Achtsamkeit und Respekt unterwegs sind, wird eine gemeinsame Wald-Nutzung im Sinne aller Interessen möglich sein“, erklärte Umweltministerin Petra Berg (SPD). Die Themen ergeben sich zum Teil aus den Ängsten und Sorgen der Waldnutzenden. Den Auftakt machte das Thema Littering, also die unsachgemäße Entsorgung von Abfällen im Wald. Über das Jahr sollen die Themen Radfahren im Wald, Brut-, Setzzeiten und Winterruhe sowie Gefahren infolge von Starkregenereignissen und Trockenheit folgen.
Rekordwert für Gasheizungen
Der Absatz vor allem von Gas-, aber auch Ölheizungen hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Das geht aus den jüngsten Absatzzahlen der Heizungsindustrie hervor.
Die Zahlen sind für Sanitär-Experten wenig überraschend und stellen die Wärmewende zumindest ein wenig infrage. Demnach haben Gasheizungen mit 790.500 verkauften Kesseln einen absoluten Rekordwert erzielt. Der Verkauf von Ölheizungen verdoppelte sich auf 112.500 Stück. „Wie bereits im letzten Jahr zu beobachten, gab es verbreitet panikartige Käufe von Öl- und Gasheizungen durch unbegründete Ängste vor den letztlich beschlossenen Gesetzesänderungen“, erklärt die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Nina Scheer.
Sie rechnet damit, dass sich das in diesem Jahr wieder normalisieren wird, da es offensichtlich auch viele vorgezogene Käufe gab und nun die von der Bundesregierung favorisierte Wärmepumpe ihren Siegeszug antreten wird.
Demokratie
Fördergesetz wankt
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam in einer Analyse zu dem Schluss, dass der Bund nicht wie eigentlich gedacht für das Demokratiefördergesetz zuständig ist. In dem Sachstandsbericht führen die Parlamentsjuristen drei mögliche Gründe für die Gesetzgebungszuständigkeit an. Die soll sich erstens aus der „Natur der Sache“ ergeben. Darauf beruft sich der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf ausdrücklich. Das wird vom Wissenschaftlichen Dienst infrage gestellt. In den weiteren angeführten beiden Punkten geht es um den Bildungsauftrag, der generell Ländersache ist und nicht von der Regierung in Form eines Bundesgesetzes geregelt werden darf. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sieht damit das Vorhaben Demokratiefördergesetz als gescheitert an, spätestens nachdem selbst die Parlamentsjuristen des Deutschen Bundestages die Verfassungsmäßigkeit infrage stellten. Mit dem Gesetz sollen Demokratieprojekte, also auch Vereine, langfristig finanziert werden. Bereits bei der Planung des Gesetzes gab es in der Ampel immer wieder Kritik.
Wiegands Wahl Watch
Auf dem Weg zur EU-Wahl
Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron läuft der Europawahlkampf holprig. Erst jetzt hat er seine Spitzenperson gefunden: Valérie Hayer. Die 37-jährige Sorbonne-Absolventin ist erst seit sechs Wochen Fraktionschefin der Liberalen im EU-Parlament. Promis wie Ex-Agrarminister Julien Denormandie, Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatten abgewunken. Die unbekannte Hayer hat es schwer: Ihre Partei Renaissance liegt mit 19 Prozent weit hinter der rechtsextremen Marine Le Pen, die mit Rassemblement National (RN) bei 30 Prozent steht. Die EU-Liberalen mit der FDP tun sich ebenfalls schwer. Kurz vor dem Wahlkongress am 20. März in Brüssel hat ihr Bündnis ALDE Party niemanden parat, der Amtsinhaberin Ursula von der Leyen die Leitung der EU-Behörden streitig machen soll. Bekannte Köpfe fallen aus. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Dänemark) verlässt die Politik. Estland Premierministerin Kaja Kallas hat andere Pläne. EU-Ratspräsident Charles Michel (Belgien) kickte sich durch Patzer selbst raus. Wer nun? Unklares gibt es auch bei den europäischen Linken: Sie treten mit zwei konträren Plattformen an, eine Folge von Flügelkämpfen. Die im EU-Parlament etablierten Parteien kandidieren zwar gemeinsam. Aber Abspaltungen bildeten Konkurrenz. So agieren in Spanien und Griechenland ähnliche Gründungen wie das deutsche Bündnis Sahra Wagenknecht. Die „Traditions“-Linke präsentiert den österreichischen Kommunisten Walter Baier als möglichen EU-Kommissionspräsidenten – eine linke Instanz, aber kein „Burner“.
Nächste Woche mehr.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.