Mehr Wohnungen durch Büroumbau
Die Bundesregierung diskutiert einen Notfallplan, der gut 11.000 Wohnungen in Metropolen aus dem Stand ermöglichen könnte. Durch den Homeoffice-Trend stehen viele Büros in Deutschland leer. Laut Immobilienspezialisten könnten durch Umwidmungen große Teile des Bedarfs gedeckt werden, allerdings seien die Hürden hoch. Demnach bieten ungenutzte Büroflächen das Potenzial für rund 11.300 Wohnungen in den sieben größten Städten Deutschlands. „Der aktuelle Wohnungsbedarf könnte dort mit der Umwandlung von Büros zu rund einem Fünftel gedeckt werden“, sagte Helge Scheunemann, Research-Experte bei JLL Deutschland. Laut JLL summierte sich der Büro-Leerstand in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf Ende 2023 auf rund knapp 5,7 Millionen Quadratmeter. Allerdings könnte dies nach Einschätzung des Zentralen Immobilienverbands (ZIA) nur ein Anfang sein. Allein in diesem Jahr fehlen 600.000 Wohnungen, 2027 könnten es laut Verband 830.000 sein.
Drei Fragen
„Wir brauchen Kern-Netz für Wasserstoff“
Beim Wasserstoff sind wir auf Zulieferungen aus anderen Ländern angewiesen, alleine werden wir das nicht schaffen, sagt der Vorsitzende des Deutschen Vereines des Gas- und Wasserfaches, Professor Gerald Linke.
Herr Professor Linke, wie viel grünen Wasserstoff braucht Deutschland für die Energiewende?
Da gehen die Zahlen je nach Lesart auseinander. Fakt ist, wir haben einen Bedarf von 3.500 Terra-Watt-Stunden, die gegen fossile Energie ersetzt werden müssten. Es geht um enorme Mengen, die alternativ geschaffen werden müssen, wenn wir die Energiewende schaffen wollen. Derzeit werden 55 Terra-Wattstunden in Deutschland vertrieben. Nun muss man zur Wahrheit dazu sagen: Diese Wasserstoff-Terra-Watt kommen allein aus fossilen Energien, das ist nicht der grüne Wasserstoff, den sich die Bundesregierung auf den Plan geschrieben hat. Das ist in der Kürze der Zeit auch gar nicht möglich. Momentan leben wir vom blauen Wasserstoff.
Also braucht Deutschland Partner, um die Energiewende zu schaffen?
Ja, selbstverständlich brauchen wir Partnerländer. Weil bei ihnen die Voraussetzungen dazu gegeben sind, grünen Wasserstoff zu erzeugen. Wir werden das hier in Deutschland nicht allein hinbekommen. Wenn dieser grüne Wasserstoff angeliefert wird, muss er auch vernünftig verteilt werden. Was wir brauchen, ist ein vernünftiges Verteilsystem, ein Kern-Netz für Wasserstoff. Der Energieträger muss da ankommen, wo er gebraucht wird. Sie sehen, das ist keine ganz einfache Aufgabe, die wir uns da vorgenommen haben. Aber im europäischen Vergleich sind wir hier in Deutschland führend.
Sie haben den Transport von Wasserstoff angesprochen, die Transportwege müssen gebaut werden. Wie realistisch ist eine Wasserstoff-Pipeline von Algerien nach Deutschland?
Eine Pipeline zu bauen, ist eine realistische Option. Das ist eine bewährte Technologie, die nicht neu erfunden werden muss. Wenn Sie sich das europäische Erdgasnetz anschauen, dann sind wir mit Ländern verbunden, die noch weiter entfernt sind als Algerien. Also technisch ist das ohne Probleme machbar. Aber an dieser Stelle darf man nicht vergessen, was das alles kosten wird. Doch umgekehrt ist der Transport von Wasserstoff per Schiff erheblich teurer und schadet der Umwelt und dem Klima mehr als eine Pipeline, die einmal gebaut werden musste. Interview: Sven Bargel
Teile der SPD für allgemeine Dienstpflicht
Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Arlt hat sich für eine Dienstpflicht in Deutschland ausgesprochen. „Ein Jahr für dein Land, Jungen und Mädchen, auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit, wäre sinnvoll. Das schließt dann auch wieder gut an die Ausbildungs- und Studiensysteme an“, argumentiert der SPD-Bundestagsabgeordnete. Dabei will Arlt in der Gruppe der Heranwachsenden eine große Zustimmung bei direkten Begegnungen mit Personen dieser Altersgruppe erfahren haben. „Ich erlebe bei vielen jungen Menschen zwischen 14 und 18 Jahren, dass sie dem sehr positiv gegenüberstehen.“ Aufgrund der veränderten Sicherheitslage in Europa sowie dem Personalmangel in der Bundeswehr lässt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Modelle einer Dienstpflicht untersuchen. Diese war bereits von seiner Vor-Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ins Gespräch gebracht, aber damals selbst in der eigenen Partei als nicht durchsetzbar eingestuft worden.
Verteidigung
Schutz der Bevölkerung
Der Städte- und Gemeindebund fordert von der Bundesregierung bessere Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung im Fall eines militärischen Konflikts. Dabei geht es auch um die Reaktivierung von stillgelegten Bunkern. „Jetzt kommt es nicht nur darauf an, die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Es geht ganz allgemein um den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbandes, André Berghegger. Neben dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr müsse der Bund „große Summen aufbringen, um die Widerstandsfähigkeit im Inneren zu gewährleisten“, fordert Berghegger. Er nannte dabei für den Schutz der Zivilbevölkerung die Summe von mindestens einer Milliarde Euro in jedem der nächsten zehn Jahre. Dies sei allerdings von Kommunen und Gemeinden finanziell nicht darstellbar, diese Mittel müssen aus dem regulären Bundeshaushalt kommen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Berghegger weiter.
SVolt-Fabrik in Überherrn wird wahrscheinlicher
Der Gemeinderat Überherrn hat laut saarländischem Rundfunk für einen Bebauungsplan und die Änderung des Flächennutzungsplans gestimmt. Damit könnten die Vorarbeiten für das Industriegebiet beginnen. Der Bau der Batteriezellenfabrik SVolt sei damit grundsätzlich möglich, allerdings noch nicht beschlossene Sache. “Der Gemeinderat in Überherrn hat heute erneut Ja zu vielen zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen gesagt. Die Ansiedlung von SVOLT ist wichtig für den Industriestandort Saarland“, befürwortete der SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Commerçon die Entscheidung. Manuela Ripa, Abgeordnete des Europäischen Parlaments für die ÖkologischDemokratische Partei (ÖDP), übte dagegen Kritik: „Dieses Gebiet hat eine hohe Bedeutung für den Natur- und den Landschaftsschutz und erfüllt eine wichtige Rolle im Rahmen des Biotopverbundes, da es hier noch relativ unzerschnittene Räume gibt. Durch den Bau der Batteriefabrik würde diese wichtige Funktion zerstört.“ Ripa betonte jedoch, dass es nicht darum gehe, gegen Industrieansiedlungen an sich zu sein.
230 Millionen für Schulbau
Am Ende sind es nochmal knapp 30 Millionen mehr, die das Land für das Schulbauprogramm zur Verfügung stellen kann, dank Startchancen-Programm. Insgesamt können damit dann 233 Millionen Euro in Schulen investiert werden. Damit ist „Baustein“, wie das Schulbauprogramm heißt, nach Angaben von Bauminister Reinhold Jost (SPD) das „größte Förderprogramm in der Geschichte des Saarlandes“. Kommunen können als Schulträger nun längst dringend nötige Maßnahmen angehen, wie Sanierungen und Modernisierung, Ersatzneubauten, energetische Sanierung und Barrierefreiheit. Der größte Teil des Geldes (75 Prozent) ist für Städte- und Gemeinden vorgesehen, das heißt, dass es Grundschulen zugutekommt. 25 Prozent erhalten Landkreise als Träger von weiterführenden Schulen. Das Programm ist auf fünf Jahre angelegt.
Kürzere Asylverfahren
Die Dauer der Asylverfahren in Deutschland ist im vergangenen Jahr trotz steigender Antragszahlen gesunken. Das behördliche Verfahren dauerte 2023 durchschnittlich 6,8 Monate, im Jahr zuvor waren es noch 7,6 Monate, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger (Linke) hervorgeht. Demnach ist auch die Dauer der Gerichtsverfahren bei Klagen gegen einen Asylbescheid im letzten Jahr deutlich um über fünf Monate gesunken. Allerdings dauerten die Verfahren mit durchschnittlich 20,7 Monaten (2022: 26 Monate) nach wie vor sehr lang. Dabei unterscheidet sich die Dauer von Bundesland zu Bundesland stark. Bei der Geschwindigkeit für die Asylverfahren liegen Rheinland-Pfalz mit fünf Monaten und das Saarland mit neun Monaten Verfahrenszeit vorn. Schlusslicht ist Brandenburg mit 39 Monaten. Auch in Hessen und Niedersachsen beträgt die Verfahrensdauer durchschnittlich immer noch mehr als zwei Jahre.
Papst rät im Ukraine-Krieg zur „weißen Fahne“
Die Ukraine sollte nach Worten von Papst Franziskus den Mut haben, die „weiße Fahne“ zu hissen und ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln. Das Oberhaupt der katholischen Kirche ist überzeugt, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“, sagte Franziskus in einem Interview. „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Dabei verwies er auf die Vermittlerrolle, die erneut die Türkei einnehmen könnte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich einen Tag vor der Veröffentlichung des Interviews mit dem Papst als Gastgeber für mögliche Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Das Nato-Mitglied Türkei hat seit Beginn des Krieges seine Kontakte sowohl zur Ukraine als auch zu Russland aufrechterhalten und unter anderem das Getreideabkommen vermittelt.
Mobilität
Bargeldlos zahlen im Bus
Mit Hilfe einer Förderung von rund 574.000 Euro sollen bei der Neunkircher Verkehrs GmbH 147 neue Bordrechner angeschafft werden, die künftig bargeldloses Bezahlen im Bus möglich machen. Das gab das saarländische Umweltministerium in einer Presseerklärung bekannt. „Die neuen Geräte sind Voraussetzung für die Umsetzung zukünftiger Maßnahmen in diesem Bereich und erhöhen die Innovationskraft des öffentlichen Personennahverkehrs. Die neuen Bezahloptionen erhöhen zudem die Nutzerfreundlichkeit für unterschiedliche Zielgruppen“, sagte die saarländische Umweltministerin Petra Berg (SPD). Bereits im Oktober 2023 wurden bei der NVG 40 im Fuhrpark vorhandene Busse mit WLAN ausgestattet. In Spiesen-Elversberg ist voraussichtlich ab Juni 2024 ein Pilotprojekt zum On Demand-Verkehr, einem digitalbasierten Linienbedarfsverkehr, geplant. Die neuen Bordrechner sollen im Sommer 2024 in Betrieb gehen. Darüber hinaus sollen mit einer Förderung des Landes von 4,3 Millionen Euro alle 1.100 saarVV-Busse im Laufe des Jahres neue Bordrechner erhalten.
Energie
Weg frei für Erneuerbare
Der saarländische Ministerrat hat den Weg ins Parlament für das Erneuerbare-Energien-Paket geebnet. Das gab das saarländische Wirtschaftsministerium in einer Pressemitteilung bekannt. Am 13. März fand im Landtag die erste Lesung statt. In dem Paket ist das Flächenzielgesetz zum Ausbau der Windenergie enthalten, das Gemeindebeteiligungsgesetz, durch das die Kommunen von den Erlösen der Betreiber profitieren sowie die Änderung des Landeswaldgesetzes zum Schutz wertvoller Waldgebiete. „Um kräftiges Wirtschaftswachstum im Saarland zu erreichen, brauchen wir eine saubere, bezahlbare und krisensichere Energieversorgung. Die Energiewende ist nicht verhandelbar, sondern eine ökonomische und ökologische Notwendigkeit“, sagte der saarländische Wirtschaftsminister Barke (SPD). In das Gemeindebeteiligungsgesetz wurde zudem eine Klausel aufgenommen, die es Vorhabenträgern ermöglicht, Bürgerenergiegesellschaften eine Beteiligung anzubieten.
Online-Umfrage für bäuerliche Betriebe
Die Europäische Kommission hat eine Online-Umfrage für bäuerliche Betriebe gestartet, um diese zukünftig zu entlasten. Bäuerinnen und Bauern können in einem Fragebogen ihre Erfahrungen und Ansichten zu verschiedenen Fragen äußern. Laut Presseinfo der EU-Kommission wird der bürokratische Zeitaufwand abgefragt, die Nutzung von mobilen Geräten für Fotos mit geographischen Koordinaten, die Komplexität verschiedener Vorschriften und Verfahren sowie, ob externe Hilfe in Anspruch genommen wurde, um den GAP-Beihilfeantrag vorzubereiten. Die Umfrage läuft bis zum 8. April, im Herbst 2024 sollen die Ergebnisse dann als Teil einer detaillierten Analyse veröffentlicht werden. „Das wird es uns ermöglichen, gezielte Maßnahmen zu entwickeln, die die Komplexität verringern und die Vereinfachung voranbringen“, sagte Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski. Bis Mitte März will die Kommission weitere Vorschläge für mittelfristige Maßnahmen sowie Maßnahmen vorlegen, die die Position von Landwirtinnen und Landwirten in der Lebensmittelversorgungskette verbessert.
Rente
Beamte sollen einzahlen
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi (SPD), will die Rentenfinanzierung auf wesentlich breitere Beine stellen und fordert einen höheren Anspruch der Beitragszahler. Fahimi hält die Zusage, das Rentenniveau von 48 Prozent bis 2040 stabil zu halten, für unzureichend. „Immerhin ist es das richtige Signal. Aber eigentlich bedürfte es einer dauerhaften Zusage. Dann funktioniert der Generationenvertrag auch“, sagt die DGB-Vorsitzende. Allerdings hält Fahimi das angestrebte 48-Prozent-Rentenniveau für zu niedrig. „Ich fände auch 50 Prozent durchaus angemessen“, betont sie. Fahimi geht dabei noch einen Schritt weiter und fordert, dass zukünftig auch Beamte, Selbstständige und Politiker in die Rentenversicherung einzahlen müssen, was schon seit Jahren als Bürgerversicherung diskutiert wird. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist dafür zwar offen, hält dies allerdings kurzfristig nicht für durchsetzbar, da die gesetzlichen Hürden relativ hoch lägen, um die Basis für die gesetzliche Rentenversicherung zu verbreitern.
Wiegands Wahl Watch
Auf dem Weg zur EU-Wahl
Mit Sorgen blicken europäische Sozialdemokraten auf die Europawahl am 9. Juni. In allen 27 EU-Mitgliedsstaaten schwindet ihr Einfluss. Nur noch in fünf Hauptstädten führen sie die Regierung: In Deutschland, Spanien, Dänemark, Rumänien und Portugal (bis zur Neuwahl). Nun soll ein blasser Herausforderer die Traditionsparteien gegen die charismatische EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen positionieren: Nicolas Schmit, Luxemburg. Der ist EU-Kommissar für Arbeit und Soziales. Doch aus der „Brüsseler Blase“ ist der 70-jährige Ex-Beamte nie herausgetreten. Im Rennen um das höchste EU-Behördenamt stellt Schmit die soziale Dimension der Klimawende nach vorn. Beim wichtigsten EU-Sozialdemokraten Olaf Scholz hat der Mann aus dem Großherzogtum keine Totalunterstützung. Als er bei der Bewerbungsrede für die Spitzennominierung das Vorgehen Israels in Gaza scharf kritisierte und mit Traumata seines Vaters im Zweiten Weltkrieg verknüpfte, sparte sich der deutsche Kanzler den Applaus. Auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hilft wenig. Der hat sein Amt voriges Jahr nur unter politischen Verrenkungen wiedererlangt und muss in Madrid mit hauchdünner Mehrheit ein brüchiges Bündnis bändigen. Der Machtverlust der europäischen Sozialdemokratie könnte sich laut Umfragen bei der EU-Wahl widerspiegeln. Tapfer beanspruchen sie schon jetzt die künftigen Kommissarsposten für Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales – weil Europas Sozialdemokraten glauben, im EU-Parlament nochmals zweitstärkste Kraft zu werden. (s. auch Bericht S. 42/43)
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.