Können Hunde rein pflanzlich ernährt werden? Manche halten das für Tierquälerei, andere für dringend geboten. Die Wissenschaft liefert zu der Frage erste Erkenntnisse. Langzeit-Studien fehlen jedoch.
Für Tessa Zaune-Figlar begann ihre Geschäftsidee mit einer Allergie: Ihr Hund, ein Schäferhund-Labrador-Mix, litt unter Juckreiz und häufigem Durchfall. Warum, war lange Zeit nicht klar – bis Zaune-Figlars Tierärztin vorschlug, versuchsweise auf tierische Nahrung zu verzichten. „Ich dachte erst, das wäre ein Witz", erinnert sich die 38-Jährige. „Der Hund stammt doch vom Wolf ab!" Trotzdem befolgte sie den Rat, mischte Tofu, Hirse, Linsen, Kartoffeln und verschiedenes Gemüse, gab ein Mineralpulver hinzu und servierte es ihrem Hund. „Nach vier Wochen waren die Beschwerden weg", sagt Zaune-Figlar.
Inspiriert von diesem Erlebnis, gründete die junge Frau „Vegdog", eine Firma, die sich auf veganes Hundefutter spezialisiert. Seit 2016 sind die Produkte auf dem Markt. Sie heißen „Farmer’s Crunch" (Trockenfutter), „Sensibelchen No 1" (Dosenfutter) oder „Dentals" (Kaustange aus Roter Bete). Aus Sicht von Befürwortern spricht – genau wie beim Menschen – einiges für diese Form der Ernährung. Sie soll gesünder sein, der Massentierhaltung entgegenwirken und das Klima schonen.
So kommt eine Studie der TU Berlin zu dem Schluss, dass ein durchschnittlicher Hund im Laufe seines Lebens so viel CO2 ausstößt wie 13 Hin- und Rückflüge von Berlin nach Barcelona oder 72.800 Kilometer im Auto. Der Großteil davon, so die Studie, kommt durch tierisches Hundefutter zustande (Environmental Impacts of a Pet Dog: An LCA Case Study). Zwar werden meist Schlacht-Nebenprodukte wie Herz, Lunge, Magen, Euter oder Zunge verarbeitet, also Körperteile, die Menschen ohnehin kaum essen. Es gibt allerdings auch Hersteller, die mit „reinem Muskelfleisch" werben. Oder anders formuliert: Tiere werden gezüchtet und getötet, um andere Tiere zu ernähren.
Großteil des CO2-Ausstoßes durch Hundefutter
Gleichzeitig bieten immer mehr Hersteller vegetarisches oder veganes Futter an. Doch die Skepsis bleibt: Ist eine solche Ernährung bei Hunden wirklich artgerecht? Oder kann ein Tier, das vom Wolf abstammt, mit Roter Bete und Linsen-Tofu nichts anfangen? Viele Hundehalterinnen und -halter sind verunsichert und geben ihrem Liebling im Zweifel doch lieber Standardfutter – oft sogar dann, wenn sie selbst keine Tiere essen. Noch gibt es nur einzelne wissenschaftliche Studien, die sich mit solchen Fragen befassen. Die vorhandenen Untersuchungen kommen allerdings zu einem erstaunlich eindeutigen Ergebnis: Der Hund von heute kann im Grunde alles fressen.
Vor über 10.000 Jahren begann die Domestizierung des Wolfs. Die besten Chancen hatten dabei Individuen, die menschliche Essenreste – also vor allem Getreide – gut verdauen konnten. Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsgruppe der Universität Uppsala, die 2013 die genetischen Unterschiede zwischen Wolf und Hund untersuchte. Demnach können Hunde deutlich besser Pflanzen verdauen als Wölfe. Der beste Freund des Menschen hat sich diesem also über die Jahrtausende angepasst. Ein aktueller Aufsatz von Forschenden der University of Alberta (Kanada) stößt ins selbe Horn. In der Vergangenheit ernährten sich Hunde vor allem von Resten, die ihnen Menschen übrig ließen. Parallel zur Entwicklung der Landwirtschaft passten sich auch die Hunde an und lernten, Stärke besser zu verdauen.
Die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin (SVK) sieht das ähnlich: „Der Hund als Allesfresser kann sowohl vegan, als auch vegetarisch ernährt werden", schreiben die Tiermedizinerinnen in einem Positionspapier aus dem Jahr 2020. Um den Nährstoffbedarf zu decken, sollte man jedoch diverse Vitamine und Mineralstoffe ergänzen. So komme etwa Vitamin B12 vorwiegend in tierischen und weniger in pflanzlichen Produkten vor. „Bei selbst zusammengesetzten Rationen ist stets eine professionelle tierärztliche Beratung einzuholen", rät der Verband. Womit erneut eine Gemeinsamkeit zum Menschen deutlich wird: Auch er kann sich problemlos vegan ernähren, vorausgesetzt, er achtet auf alle benötigten Nährstoffe.
Ist es also besser, ein fertiges Produkt zu kaufen oder sollte man den Veggie-Napf lieber selbst bestücken? Die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin äußert sich in ihrem Positionspapier nicht direkt zu dieser Frage. Sie warnt jedoch davor, falschen Heilsbringern hinterherzulaufen: „Die Bezeichnung Ernährungsberater/in für Hunde und Katzen ist nicht geschützt und wird daher oft von unseriösen Beraterinnen und Beratern missbraucht."
Petra Kölle gehört zu den Expertinnen, die sich mit dem Thema genau auskennen. Die Fachtierärztin arbeitet an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München und befasst sich schon seit Langem mit Tierernährung. Wenn Hundehalter zu ihr kommen, die ihr Futter umstellen möchten, greift sie auf ein Computerprogramm zurück. Je nach Rasse, Alter und Geschlecht stellt die Software die Nährstoffe zusammen, die der Vierbeiner benötigt. „Die Moden nehmen insgesamt zu", stellt die Tiermedizinerin fest – vom vegetarischen Trend bis hin zum „Barfen", also dem Füttern von rohem Fleisch. „Manche Leute geben ihren Hunden auch ganze Kaninchen", berichtet Kölle. Damit tue man seinem Haustier aber nichts Gutes. „Das ist viel mehr Protein, als der Hund braucht. So etwas belastet Niere und Leber."
Was fleischfreie Ernährung angeht, ist Kölle zwiegespalten. Hunde seien tatsächlich Allesfresser und damit auch potenzielle Vegetarier. Verzichtet man aber auf alle tierischen Bestandteile durch eine vegane Ernährung, sollte man Vitamin-Mineralmischungen ins Futter rühren. „Es hängt auch stark vom Hund ab", gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. „Manche verweigern Hülsenfrüchte, andere bekommen davon Blähungen." In jedem Fall rät auch sie zu einer tierärztlichen Beratung. „Es gibt dazu einfach noch keine Langzeit-Studien", warnt Kölle.
Anfangen mit den Leckerchen
Welpen und Junghunde sollten auf keinen Fall vegetarisch ernährt werden. Darauf weisen sowohl Petra Kölle als auch die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin hin. „Der Bedarf an Mineralstoffen liegt höher als beim ausgewachsenen Hund", heißt es in dem Positionspapier. Diesen Bedarf könne man durch vegetarische Ernährung allein nicht decken. Ähnlich sieht es auch bei Katzen aus: Diese seien reine Fleischfresser und müssten auch entsprechend ernährt werden, betont der Verband.
Die Zeitschrift „Ökotest" hat zuletzt 2017 Bio-Hundefutter getestet, darunter auch mehrere vegetarische und auch vegane Sorten. Knapp die Hälfte der getesteten Produkte fiel damals durch. „Im Durchschnitt schneiden die fünf vegetarischen und veganen Futter im Test bei der Nährstoffversorgung nicht besser oder schlechter ab als die zehn mit Fleisch", resümierte die Redaktion der Zeitschrift. So erhielten sowohl Fleischdosen als auch pflanzliche Rezepturen mehrfach die Note „mangelhaft" oder sogar „ungenügend", weil wichtige Vitamine oder auch Mineralstoffe gänzlich fehlten.
Das „Vegdog"-Dosenfutter landete damals mit der Testnote „gut" auf dem dritten Platz – für Firmengründerin Tessa Zaune-Figlar eine Bestätigung, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Auch sie hat schon öfter den Vorwurf gehört, dass ihre Rezeptur in Wahrheit Tierquälerei sei und den natürlichen Bedürfnissen von Hunden widerspreche. „Wer selbst jeden Tag ein Schweineschnitzel isst, sieht die Sache sicherlich kritischer", sagt die Geschäftsfrau. Skeptischen Hundebesitzern schlägt sie vor, erst einmal die Leckerchen auf pflanzliche Produkte umzustellen. Auch ein einzelner „Veggie-Tag" könne aufs Jahr gerechnet schon viel bewirken – genau wie beim Menschen.